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315Faschingsopern
Vermutlich am 20. Januar 1633 wird am Kaiserhof zur Unterhaltung von König (ab
1637 Kaiser) Ferdinand III. die dreiaktige Oper Gli inganni di Polinesso eines Acade-
mico Humorista, hinter dem sich Monsignor Urbano Giorgi verbirgt, wahrschein-
lich in der Vertonung von Lodovico Bartolaia aufgeführt. Das Werk, dessen tatsäch-
liche Aufführung bisher nicht nachweisbar ist, bleibt eine Einzelinitiative, denn bis
zum Regierungsantritt von Leopold I. lässt sich keine weitere italienische Faschings-
oper in Wien dokumentieren.
In den ersten Jahren des sich etablierenden Unterhaltungsprogramms kann man
einen regelmäßigen Wechsel zwischen einem aus Italien übernommenen Werk des
Sprech- oder Musiktheaters, von welchem keine lokalen Druckausgaben veröffent-
licht werden, und einer eigens für den Kaiserhof geschriebenen Oper beobachten.
Nach der Aufführung der Tragikomödie Il Don Gastone di Moncada. Opera scenica e
morale575 von Giacinto Andrea Cicognini (1606–51) am 13. Februar 1659 im klei-
nen Hoftheater beginnt die Serie der Wiener Faschingsopern am 19. Februar nach-
mittags im Hoftheater mit Amalteos Il re Gilidoro, favola drammatica musicale in der
Vertonung von Bertali. Die Handlung dieser dreiaktigen Oper, deren Text mit fünf
Kupferstichen der Inszenierung veröffentlicht wird, ist im frühmittelalterlichen
England angesiedelt und weist gewisse Parallelen mit dem Wanderbühnenstück Eine
schöne lustig triumphirende Comoedia von eines Königes Sohne auss Engellandt und des
Königes Tochter auss Schottlandt576 auf. Im Schlussballett tanzt Leopold I. mit 11 Ka-
valieren. Es folgt am 20. Februar 1659 im kleinen Hoftheater die Aufführung von
Cicogninis Le gelosie fortunate del principe Rodrigo, einer Opera in 3 Akten mit einem
Prolog, durch italienische Studenten und Pagen des venezianischen Botschafters.577
Im Fasching 1660 wird, möglichweise im Tanzsaal der Hofburg, Cicogninis
L’Orontea. Dramma musicale in drei Akten mit Prolog und einem Intermedium in der
Vertonung von Filippo Vismarri (1631–1707) und vielleicht Giovanni Felice Sances
aufgeführt.578 Vermutlich am 20. Februar 1662 wird Amalteos La Roselmina fatta ca-
nora. Recitata in Musica per il Carnevale (drei Akte mit Prolog) in der Vertonung von
Sances mit zwei Balletteinlagen von Santo Ventura geboten. Der Stoff des Librettos
geht auf Roselmina. Favola tragisatiricomica in fünf Akten von Lauro Settizonio zu-
rück, die erstmals 1595 in Venedig gespielt wird und ab diesem Jahr in zahlreichen
575 Erstmals aufgeführt wurde dieses Prosadrama 1641 in Florenz, die erste Druckausgabe davon dürfte in
Venedig 1658 erschienen sein. Zu den deutschen Übersetzungen dieses Werkes, das große Verbreitung
in der Wanderbühne findet, vgl. Martino: Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum, S. 92f.
576 1620 in der Sammlung Engelische Comedien und Tragedien erschienen.
577 Das Werk erscheint ebenfalls 1658 in Venedig. Eine handschriftliche deutsche Übersetzung wird 1662 in
Innsbruck niedergeschrieben; vgl. Martino: Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum, S. 93f.
578 Diese Oper wurde mit der Musik von Cesti erstmals 1649 in Venedig und 1656 in Innsbruck gespielt.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549