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Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im
Barock354
wird. In sieben Bühnenbildern von Burnacini mit der Musik von Draghi und J. H.
Schmelzer in den Räumen der Erzherzogin Maria Anna aufgeführt, bietet diese
Feier für Eleonora eine beispielhafte Abhandlung über die Leidenschaft der Liebe
auf der Basis von Justinus Historiae (15). Tessalonica weiß, dass Cassandro wegen der
Schönheit ihres Gesangs in sie verliebt ist, obwohl die beiden einander wegen eines
Verbots ihres Vaters Eunomio noch nie gesehen haben. Cassandro ist nämlich mit
der in Begleitung Oristes aus Zypern anreisenden Deidamia verlobt und hat dafür
als Unterpfand und Friedenszeichen die Stadt Pidna übernommen. Oriste aber ver-
liebt sich während der Reise in Deidamia und wird deswegen von seinem Vater als
Verräter eingekerkert. Nach zahlreichen Verkleidungen, falschen Botschaften und
den daraus resultierenden Verwirrungen, die zwischendurch von den in Pilgerklei-
dung auftretenden Figuren des Eigennutzes, der Wahrheit und der Glückseligkeit
kommentiert werden, entdecken Cassandro und Tessalonica einander schließlich in
einer dramatischen Gegenüberstellung. Im Palast der Wahrheit wird der Geburtstag
Eleonoras vor dem von Maria Anna und fünf Hofdamen getanzten Schlussballett
von allegorischen Figuren gefeiert.
In einer neuen Vertonung von Bernardo Pasquini findet dieses Werk Minatos
durchaus Verbreitung in Italien mit Aufführungen in Rom 1683, Neapel 1684 und
Florenz 1686.
Ungewöhnlich aufwändig fällt die Geburtstagsoper für den Kaiser im Jahre 1674
aus: am 9. und am 10. Juni wird im Hoftheater auf der Cortina Minatos Il ratto delle
Sabine. Drama per musica in drei Akten mit Licenza in der Vertonung von Draghi,
Leopold I. und J. H. Schmelzer mit vier Balletteinlagen von Ventura aufgeführt. Die
meisten der 13 Bühnenbilder von Burnacini werden in den elf Kupferstichen des Li-
brettodruckes wiedergegeben. Vermutlich auf der Grundlage von Titus Livius (His-
toriarum liber I) wird darin das moralische Thema der Standhaftigkeit von Frauen
behandelt. Die Römer fragen vergeblich in den Nachbarstaaten um die Möglich-
keiten an, sich mit den dort lebenden Mädchen verheiraten zu dürfen, wobei sie
von den Sabinern besonders brüsk abgewiesen werden. Unter den im daraus resul-
tierenden Krieg geraubten Sabinerinnen befindet sich Heraclea,618 die, selbst Tatio
zugetan, vergeblich von Romolo angebetet wird. Am Ende werden dieses und zwei
weitere standhafte Paare aus Sabina zusammengeführt und der von so viel Tugend
beeindruckte Romolo schlägt den Frieden zwischen Römern und Sabinern vor. Im
Schlussballett besingen Apollo und allegorische Figuren den Geburtstag des Kaisers.
618 Die Bearbeitung von Silvio Stampiglia trägt daher den Titel L’Eraclea o vero Il ratto delle Sabine (Rom 1692).
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549