Seite - 475 - in Die italienische Literatur in Österreich - Von den Anfängen bis 1797, Band I
Bild der Seite - 475 -
Text der Seite - 475 -
475Pietro
Metastasio – der Hofdichter als Monument
Deh tu, Signor, quando a destarmi arrivo,
Fa ch’io trovi riposo in sen del Vero. (Bd. 2, S. 939)
Mit dem Regierungsantritt von Maria Theresia setzt ohne Zweifel das Ende der Ära
der Hofpoeten ein, weil ihre Funktion im Rahmen des neuen Verständnisses vom
Hof nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Nur mehr vereinzelt wird z.B. nach
1740 in den Libretti auf die traditionelle Form der barocken Fürstenverehrung in
der Licenza zurückgegriffen (Ipermestra, 1744; Ruggiero ovvero L’eroica gratitudine,
1771), immer häufiger klingen die Schauspiele ohne diese Abschiedsgeste aus (Il re
pastore, 1751; L’eroe cinese, 1752; Nitteti, 1756; Il trionfo di Clelia, 1762; Romolo ed Er-
silia, 1765). Einzelne Huldigungen werden zur Gänze gestrichen (z.B. in Demetrio
1744, zum Namenstag von Maria Theresia), und manche Passagen aus früheren
Werken bekommen an Stelle der früheren Licenza eine neue Dimension der Be-
deutung, wenn es z.B. im Schlusschor von Semiramide (1729) und La Semiramide
riconosciuta (Graz 1743 bzw. Wien 1748) heißt:
Donna illustre, il Ciel destina
A te Regni, Imperi a te.
Viva lieta, e sia Regina
Chi fin or fu nostro Re. (Bd. 1, S. 304)
Ich halte es im Übrigen für eine literarhistorische Legende, dass Metastasio zu Kai-
ser Karl VI. eine außergewöhnliche persönliche Beziehung gehabt haben soll. Aus
dem Inhalt der Werke und der Art, wie die damaligen künstlerischen Produktionen
entstanden, scheint mir ein tiefes ästhetisches Einverständnis und intellektuelles Zu-
sammenwirken zwischen Herrscher und Künstlern eher für die Epoche von Leo-
pold I. zu gelten. Die ungewöhnliche Position Metastasios besteht meines Erachtens
darin, dass er ab 1740 zu einem Denkmal der eigenen Funktion wird und mit seiner
Gestalt an die glorreichen Zeiten der Hofoper erinnert.
Metastastios Genie besteht neben den stilistischen Qualitäten seiner Texte eben
darin, seinem Publikum einen ironischen Blick auf die in seinen Libretti verarbeite-
ten mythologischen Gestalten zu gestatten, ja die Figuren selbst in durchaus rationa-
ler Art über ihre Instrumentalisierung als Träger von moralischen Werten reflektie-
ren zu lassen. Mit seiner klassischen Ausdrucksform gelingen ihm die Loslösung
von affektorientiertem Schauspiel und damit auch eine vom eigentlichen Anlass zu-
nehmend unabhängige Ausarbeitung des jeweiligen Themas, die offenbar jeden am-
bitionierten Komponisten reizt. Die klassische Mythologie verliert damit auch ihren
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549