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507Die
neuen Leidenschaften im Libretto
Rezitativ und von Leidenschaft geprägter Arie aufheben. Als Beispiel sei hier ein
Ausschnitt aus der Klage Orfeos in der ersten Szene zitiert, wo er nach dem Dialog
mit dem Chor und dem ersten Ballett ausruft:885
Euridice! Euridice!
Ombra cara, ove sei? Piange il tuo sposo,
ti domanda agli dei,
a’ mortali ti chiede e sparse a’ venti
son le lagrime sue, i suoi lamenti. (v. 25–29)
Die Kürze des Textes (ca. ein Viertel des üblichen Umfanges für ein Dramma per
musica) und die rund um die Ballettszenen deutlich statische Handlung geben
dem Werk eher die Atmosphäre einer Sacra rappresentazione als einer Oper – eine
Hürde bei der Umsetzung auf der Bühne, die in der Folge oft durch eine Erweite-
rung oder aber eine halbszenische bzw. sogar konzertante Aufführung überwunden
wird. Trotz der betont heterogenen Metrik mit einem fallweise abrupten Wechsel
der Verslängen zwischen 6 und 11 Silben entsteht insgesamt ein äußerst feierlicher
Ton, der die wenigen zweistrophigen Arien in der Tradition Metastasios durch ihre
geradezu minimalistische Reduktion umso effektvoller hervortreten lässt:
Che fiero momento!
Che barbara sorte!
passar dalla morte
a tanto dolor!
Avvezza al contento
d’un placido oblio,
fra quelle tempeste
si perde il mio cor. (v. 262–269)
In der dramatisch perfekten Ausgewogenheit der drei Akte erreicht die Handlung
ihren emotionalen Höhepunkt bei zwei Dritteln des Verlaufes, wenn der Librettist
Orfeo seine schrankenlose Verzweiflung litaneiartig vortragen lässt:
Che farò senza Euridice!
Dove andrò senza il mio ben! (v. 297–298 und 304–305)
885 Textedition in Giovanni Gronda / Paolo Fabbri (Hg.): Libretti d'opera italiani. Mailand 1997, S. 677–700.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549