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523Die
neuen Leidenschaften im Libretto
schwankenden Publikum demonstriert und am Ende zu einer zumindest an der
Oberfläche harmonischen Rückkehr zu den Verhaltensnormen geführt. Neben dem
Vertrauen in die Vernunft, denn diese müsste ja auf jeden Fall das Verhalten der jun-
gen Frauen und teilweise auch jenes ihrer Verlobten schlicht verurteilen, steht Don
Alfonso für eine praktische Lebensweisheit, die den wahren Charakter der Men-
schen in Betracht zieht, ohne sie zu einem Ideal zu verpflichten. In eindrucksvoller
Programmatik wird hier von Da Ponte eine völlig andere Art von Schaudern und
Mitleid vorgeführt, als das in der aristotelischen Poetik der Fall war. Es geht nicht
mehr um übermenschliche Schicksale, die die Seelen der Zuschauer reinigen sollen,
sondern um die sanfte Impfung der Psyche im Opernlaboratorium.
Das Werk wird nur weitere neun Mal bis August 1790 gespielt, wofür in der
Literatur die Staatstrauer nach dem Tod von Joseph II. am 20. Februar 1790 als
Erklärung herangezogen wird. Insgesamt wird durch dieses Ereignis die Situation
Da Pontes in Wien immer schwieriger, da er einerseits seinen wichtigsten Förderer
verloren und andererseits durch private Skandale seinen Gegnern viel Material für
Intrigen gegen ihn unter dem neuen Herrscher geliefert hat.
Da Ponte bringt im Laufe des Jahres 1790 noch die bereits erwähnte Nina von
Carpani, am 13. August 1790 im Burgtheater mit nur einer Wiederholung La quacque
ra
spirituosa. Commedia per musica, eine Bearbeitung von Palombas La quakera spiri
tosa 916
mit der Musik von Pietro Alessandro Guglielmi (1726 –1804), sowie La caffettiera
bizzarra
. Dramma giocoso mit der Musik von Weigl am 1. November 1790 ebenfalls im
Burgtheater heraus. Als letzte Initiative in Wien versucht Da Ponte nach seiner bereits
erwähnten L’ape musicale rinnovata noch in der Fastenzeit 1791 eine Neufassung von
Mozarts Davidde penitente (1785) unter dem Titel Il Davide. Oratorio sacro.
Im März 1791 wird Da Ponte vom Kaiser entlassen, nachdem ihm zuvor nicht
gestattet wurde, eine durch Martín y Soler angeregte Verpflichtung nach Sankt Pe-
tersburg anzunehmen. Er zieht sich auf das Land in die Nähe von Mödling zurück,
bis er im Mai aus Wien und der Umgebung verbannt wird. Im Juli 1791 kann der
ehemalige Hofdichter zwar in einer Audienz bei Leopold II. in Triest eine Aufhe-
bung dieser Verfügung erwirken, bekommt aber einige Monate danach von Franz II.
nur eine finanzielle Entschädigung für seine Entlassung, da sein Nachfolger Bertati
schon im Juli 1791 den Dienst angetreten hat.
In Triest lernt Da Ponte seine künftige Frau Anna Celestina Grahl, die Tochter
eines englischen Kaufmanns, kennen und geht 1792 mit ihr nach London, wo er
916 Uraufführung mit der Musik von Guglielmi 1783 in Neapel; das Werk wird in dieser Version 1787 in
Esterháza gespielt.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549