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oder unerwünschte politische Textproduktion zu verhindern. Bereits Joseph
II.
hatte in seiner Zensurverordnung von 1781 – bezogen speziell auf politische
Kritik und persönliche Kontroversen – die Namensangabe des Autors verlangt:
Kritiken, wenn es nur keine Schmähschriften sind, sie mögen nun treffen, wen sie
wollen, vom Landesfürsten an bis zum Untersten, sollen, besonders wenn der Ver-
fasser seinen Namen dazu drucken läßt, und sich also für die Wahrheit der Sache
dadurch als Bürge darstellt, nicht verboten werden […].41
Foucault nennt den Wunsch, auf Verantwortliche für abweichlerische Texte
zugreifen zu können, geradezu als Voraussetzung für das Hervortreten der Autor-
funktion. Die Tendenz zur Autonomisierung (und zur damit verbundenen Trans-
gression von externen Normen) und die staatliche Zensur treiben einander
wechselseitig hervor. Bestimmte Aussagen werden aufgrund ihrer politischen
oder religiösen Brisanz erst unter dem Deckmantel der Anonymität möglich.
Zugleich stellt Anonymität „eine Aussage darüber dar, was wie unter welchen
rechtlichen, ökonomischen und diskursiven Bedingungen gesagt beziehungs-
weise nicht gesagt werden konnte“.42 Allerdings wurde die Autorfunktion nicht
mit einem Schlag im 18.
Jahrhundert etabliert, sondern im Verlauf eines langen
Prozesses, der die Faktoren Herausbildung der Schriftlichkeit und des Buch-
drucks, des Urheberrechts und des Aspekts der persönlichen Haftung umfasst.
Über das Eigentum an Texten im Sinne der Autorfunktion schreibt Foucault:
Il faut remarquer que cette propriété a été historiquement seconde, par rapport à ce
qu’on pourrait appeler l’appropriation pénale. Les textes, les livres, les discours ont com-
mencé à avoir réellement des auteurs (autres que des personnages mythiques, autres
que de grandes figures sacralisées et sacralisantes) dans la mesure où l’auteur pouvait
être puni, c’est-à-dire dans la mesure où les discours pouvaient être transgressifs.43
(Angemerkt werden muß, daß dieses Eigentum später kam als das, was man wider-
rechtliche Aneignung nennen könnte. Texte, Bücher, Reden haben wirkliche Autoren
41 Siehe Anhang, S. 428.
42 Stephan Pabst: Anonymität und Autorschaft. Ein Problemaufriss. In: Stephan Pabst (Hg.): Ano-
nymität und Autorschaft. Zur Literatur- und Rechtsgeschichte der Namenlosigkeit. Berlin,
Boston: de Gruyter 2011, S. 1–34, hier S. 7.
43 Michel Foucault: Qu’est-ce qu’un auteur? In: Dits et écrits 1954–1988. I: 1954–1969. Édition
établie sous la direction de Daniel Defert et François Ewald avec la collaboration de Jacques
Lagrange. Paris: Gallimard 1994, S.
789–821, hier S.
799. Vgl. dazu Roger Chartier: The Order
of Books. Readers, Authors and Libraries in Europe between the Fourteenth and Eighteenth
Centuries. Translated by Lydia G. Cochrane. Cambridge: Polity Press 1992, S. 25–59 (Kapitel
,Figures of the Author‘).
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
26 1. Einleitung
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510