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Beschränkung der Verbreitung, zum Beispiel das Wegsperren von Büchern in
speziellen Abteilungen von Bibliotheken, und die Forderung von Auslassungen,
Umformulierungen usw. im Manuskript zu unterscheiden. In der Regel führt
die zensorische Einflussnahme auf das literarische Leben zu Selbstzensur und
Anpassung auf allen Ebenen oder zu sogenanntem Ideenschmuggel48 durch die
Entwicklung geeigneter Schreibstrategien der Verschlüsselung (,Äsopisches‘
Schreiben).49 In diesem Sinn kann die Zensur tatsächlich ästhetisch produktive
Effekte auslösen, im Fall Heinrich Heines etwa wurde eine eigene Zensur-Äs-
thetik konstatiert.50 Da das Lesepublikum durch Verbote neugierig gemacht wird,
stehen dem Effekt der verminderten Verbreitung ein komplementärer Effekt der
Erregung von Aufmerksamkeit und Versuche, auf illegalen Wegen an die ver-
botenen Schriften zu gelangen, gegenüber. Daher ist der erwähnte Anpassungs-
druck wohl die hauptsächliche reale Wirkung von Verboten. Besonders fraglich
ist die Wirkung von Verboten, die aus großer geographischer Distanz und/oder
mit zeitlicher Verzögerung getroffen werden, wie dies beim vatikanischen Index
der Fall war. Hier kann man kaum von einem Einfluss auf das Leseverhalten
ausgehen, der päpstliche Index stellte wohl eher eine symbolische Geste dar,
„eine Abgrenzung vom Bösen und Verwerflichen“, die nicht zuletzt eine „Selbst-
vergewisserung des eigenen Wertesystems“ bedeutete.51
Nach dem Zeitpunkt des Zugriffs unterscheidet man Präventiv-, Prohibitiv-
und Widerrufszensur. Präventivzensur bedeutet, dass die Äußerung vor der Ver-
öffentlichung überprüft wird; im Fall von Prohibitivzensur wird ein Werk nach
Erscheinen, meist aufgrund einer Anzeige oder wie im Fall der österreichischen
Bücherrevision bei Import ausländischer Werke, auf seine Zulässigkeit über-
prüft; Widerrufszensur bedeutet den Sonderfall der erneuten Prüfung eines
bereits einmal genehmigten Werkes. Alternative Termini für diese drei Formen
der Zensur sind Vor-, Nach- und Rezensur.
Wie oben bereits ausgeführt, bedeutet Zensur im engeren Sinn die Überprü-
48 Der Terminus wurde von Karl Gutzkow: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg: Hoff-
mann und Campe 1832, S. 190, geprägt.
49 Vgl. dazu unter anderem Lev Loseff: On the Beneficence of Censorship. Aesopian Language
in Modern Russian Literature. München: Sagner 1984. Für Gutzkow siehe zuletzt die Zusam-
menfassung von Joachim Grimm: Karl Gutzkows Arrivierungsstrategie unter den Bedingun-
gen der Zensur (1830–1847). Frankfurt/Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien:
P. Lang 2010, S. 139–147.
50 So Reiner Marx: Heinrich Heine und die Zensur – Der Dichter als ihr Opfer und geheimer
Nutznießer. In: Gabriele
B. Clemens (Hg.): Zensur im Vormärz. Pressefreiheit und Informati-
onskontrolle in Europa. Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag 2013, S. 249–258, hier S. 251.
51 Dominik Burkard: Repression und Prävention. Die kirchliche Bücherzensur in Deutschland
(16.–20.
Jahrhundert). In: Hubert Wolf (Hg.): Inquisition, Index, Zensur. Wissenskulturen der
Neuzeit im Widerstreit. Paderborn, München, Wien, Zürich: Schöningh 2001, S.
305–327, hier
S. 306.
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28 1. Einleitung
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510