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Der Kontakt mit häretischen Büchern war verderblich, niemand war vor Anste-
ckung mit schlechten Gedanken und falschem Glauben gefeit. Auch in Salzburg
gingen geistliche Pädagogen 1747 von der epidemischen Wirkung heterodoxer
Konfessionen aus. „Die andere Konfession wird als Krankheitsphänomen gedeu-
tet; bei Angehörigen der älteren Generation, die vom ,kchözerischen geist ein
mahl inficirt‘ seien, helfe kein Mittel richtig; man könne nur sehen, daß sie die
Jugend nicht verunsicherten.“72 Speziell der Schrift wurde die Macht, die kon-
fessionelle Zugehörigkeit zu ändern, zugesprochen. Der Schlüssel zu dieser
Ansicht mag das verbreitete intensive Lesen – das heißt die wiederholte Lektüre
derselben Texte bis hin zum Auswendiglernen – gewesen sein, das dazu führte,
dass sich die Inhalte tief im Bewusstsein der Leserschaft verankerten. Aufgrund
solcher Annahmen über die Wirkung des Lesens versuchte der katholische Kle-
rus mit gleichen Mitteln zu antworten und die eigene orthodoxe Literatur als
heilsames ,Gegengift‘ zu verbreiten. „Ebenso wie die Häresie in den österreichi-
schen Ländern mit Büchern verbunden war, schien umgekehrt die Bekehrung
auch mit Büchern untrennbar verbunden.“73 Katholische Bücher wurden nicht
nur über Kolportage durch Buchträger, sondern auch über den regulären Buch-
handel von regionalen Niederlassungen aus – zusammen mit Rosenkränzen,
Bruderschafts-Skapulieren und Ähnlichem – unter der protestantischen Bevöl-
kerung verbreitet.
Die Zusammenhänge zwischen einzelnen Sparten als ,gefährlich‘ erachteter
Literatur bilden sich auch in den Listen der in Österreich verbotenen Bücher ab.
Bei ihrer Durchsicht treten zahlreiche thematische Blöcke von Publikationen
hervor, die auf „complex, ceaseless borrowings and lendings“74 zwischen den
einzelnen Texten zurückzuführen sind – wenn man so will, ein Beweis für die
,Ansteckung‘ auf der Ebene der Autoren. Aus literaturwissenschaftlicher Sicht
handelt es sich dabei um Intertextualität, die zur Herausbildung und Abgren-
zung von Diskursen führt. Als Beispiele unter vielen anderen wären etwa Texte
über den Selbstmord oder den Teufelsglauben zu nennen,75 ferner Schriften über
72 Klaus Heydemann: Abwehr schädlicher Bücher. Zu Buchhandel und Zensur im Erzstift Salz-
burg im 18.
Jahrhundert. In: Wolfgang Frühwald und Alberto Martino (Hg.; unter Mitwirkung
von Ernst Fischer/Klaus Heydemann): Zwischen Aufklärung und Restauration. Sozialer Wan-
del in der deutschen Literatur (1700–1848). Festschrift für Wolfgang Martens zum 65.
Geburts-
tag. Tübingen: Niemeyer 1989, S. 131–160, hier S. 149.
73 Scheutz: Das Licht aus den geheimnisvollen Büchern, S. 348.
74 Greenblatt: Shakespearean Negotiations, S. 7.
75 Vgl. dazu das Kapitel
6.3. in diesem Band sowie Norbert Bachleitner: Von Teufeln und Selbst-
mördern. Die Mariatheresianische Bücherzensur als Instrument der Psychohygiene und Sozi-
aldisziplinierung. In: Johannes Frimmel/Michael Wögerbauer (Hg.): Kommunikation und
Information im 18.
Jahrhundert. Das Beispiel der Habsburgermonarchie. Wiesbaden: Harras-
sowitz 2009, S. 201–215.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
36 1. Einleitung
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510