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von 1512 und betraf ein Werk von Johannes Reuchlin, das zweite war das Ver-
bot der Schriften Luthers 1521.3 Im selben Jahr, und zwar per Edikt vom 8.
Mai
1521, wurde den Landesregierungen von Kaiser Karl
V. die Vorzensur aller zum
Druck gelangenden Schriften aufgetragen, eine Regelung, die bis zum Ende des
Reiches 1806 aufrechtblieb. Für die österreichischen Länder verordnete Erzher-
zog Ferdinand 1523 ein Verbot der Reproduktion und des Handels mit Schriften
Luthers und seiner Anhänger, dieses Dekret gilt als erste genuin österreichische
Zensurmaßnahme.4 1527 wurde das Dekret novelliert und auf andere ketzeri-
sche Strömungen (insbesondere die Wiedertäufer) ausgedehnt. Im Jahr darauf
wurden wegen Verstößen gegen diese Verordnung drei ,Ketzer‘ verbrannt. Visita-
tionen, meist durch Geistliche, bildeten weiterhin das hauptsächliche Überwa-
chungsinstrument; da die staatlichen Organe aber noch viel zu schwach entwi-
ckelt waren, wurden alle Bürger zur Wachsamkeit gegenüber ketzerischer
Propaganda und gegebenenfalls zur Denunziation aufgerufen.5 Bereits seit 1528
durften Buchdruckereien nur noch in Landeshauptstädten eingerichtet werden,
auf die Herstellung und Verbreitung ketzerischer Schriften stand der Tod durch
Ertränken.6 1559 rückten Pasquill- und Schmähschriften in den Blickpunkt des
Interesses der Zensur, eine eigene Verordnung verbot ihre Produktion und Ver-
breitung.7 Unter Maximilian II. herrschte größere Milde, Erzherzog Ernst zog
die Zensurschraube wieder an, was zu zahlreichen Bücherverbrennungen im
späten 16. Jahrhundert führte. Im Jahr 1600 sollen in Graz 10.000 lutherische
Bücher verbrannt worden sein.8
Basis des kaiserlichen Hoheitsrechts über das Buch- und Pressewesen war das
sogenannte Bücherregal, ein Monopol, das der Kaiser später mit den Landes-
herren teilte. Damit verbunden war das Recht auf Verleihung von Druckprivi-
legien (Privilegia impressoria), das Autoren und/oder Verleger vor unberech-
tigtem Nachdruck schützte. 1597 wurde in Frankfurt am Main, dem Ort der
halbjährlich stattfindenden Büchermesse, eine ständige kaiserliche Bücherkom-
mission eingerichtet, die die Neuerscheinungen zensorisch überwachte, das heißt
die Büchergewölbe und Messestände visitierte, die Privilegien kontrollierte, ver-
dächtige Bücher auflistete und Pflichtexemplare einforderte. Allerdings protes-
tierten die Buchhändler gegen diese Überwachung und weigerten sich, ihre
der Erzdiöcese Wien. Nach den Acten des Fürsterzbischöflichen Consistorialarchives in Wien.
In: Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen 50 (1873), S. 215–520.
3 Vgl. Fischer: Deutsche Kommunikationskontrolle, S. 24.
4 Vgl. den Text des Dekrets im Anhang.
5 Adolph Wiesner: Denkwürdigkeiten der Oesterreichischen Zensur vom Zeitalter der Refor-
mazion bis auf die Gegenwart. Stuttgart: Krabbe 1847, S. 22–34.
6 Vgl. ebd., S. 38.
7 Siehe ebd., S. 46.
8 Vgl. Rafetseder: Bücherverbrennungen, S. 58.
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42 2. Im Dienst der Aufklärung: Die Zensur zwischen 1751 und 1791
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510