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und anderes mehr. Das Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein des Einzelnen
sollte weiter gestärkt werden und nicht zuletzt dem Staat und seiner Leistungs-
fähigkeit zugutekommen. Im Bereich der Wirtschaft sollten Fachwissen und
Privatinitiative gefördert, Privilegien und Monopole dagegen abgebaut werden,
um im Geist des Merkantilismus die ökonomische Unabhängigkeit von außen
zu sichern. Der Feudalismus, alte Einrichtungen zum Schutz der Gewerbe vor
Überbesetzung (Zünfte, Gilden) und Bevormundung durch die Kirche passten
nicht in dieses Konzept. Auch neue Verlage, Buchdruckereien und Buchhand-
lungen waren als Beförderer der Aufklärung und Mehrer des Staatseinkommens
willkommen. Das Buchgewerbe betrachtete Joseph als Kommerzium wie alle
anderen und verglich es – notorisch – mit dem Käsehandel:
Wer sich Lettern, Farbe, Papier und Presse anschafft, kann drucken, wie Strümpfe
stricken, und wer gedruckte Bücher sich macht oder anschafft, kann selbe verkaufen,
jedoch haben alle den öffentlichen Polizei- und Censursgesetzen genauestens zu
unterliegen. […] Um aber Bücher zu verkaufen, braucht er keine mehrere Kenntnis-
se, als um Käse zu verkaufen, nämlich ein Jeder muss sich die Gattung von Büchern
oder Käse anschaffen, die am mehrsten gesucht werden, und das Verlangen des Pub-
licums durch Preise reizen und berücken.67
Die maria-theresianische Schulreform begann Früchte zu tragen, die Lesefähig-
keit breitete sich aus, das Publikum und die Nachfrage nach Büchern wuchsen.
Das Reformpaket war und blieb aber eine Erziehungs- und Disziplinierungs-
maßnahme, die das Prinzip des Absolutismus bei allem Liberalismus im Detail
unangetastet ließ. Die Freiheitskonzessionen des späten 18. Jahrhunderts müs-
sen laut Ulla Otto „weniger als Ausdruck einer echten, von den Gedanken der
Aufklärung getriebenen, dem Zeitgeist voraneilenden Konfession angesehen
werden als vielmehr zunächst und vor allem als eine an augenfälligen, politi-
schen Notwendigkeiten orientierte Strategie, die die absolutistische Forderung
nach ausschließlicher Beherrschung der Öffentlichkeit keineswegs aufgab, son-
dern im Gegenteil bereit war, mit dem Kontrahenten unter Umständen auch
wieder die Maske zu wechseln“.68 Die Aufklärung ‚von oben‘, die staatliche Absi-
cherung des Gemeinwohls, implizierte sogar „die Gefahr der Verkehrung in ihr
Gegenteil, indem sie letztendlich eine ‚Verschärfung des Obrigkeitsprinzips‘
durch die Machtfülle einer unkontrolliert herrschenden Beamtenschaft mit sich
brachte.“69
67 Zitiert nach Bodo Plachta: Damnatur – Toleratur – Admittitur. Studien und Dokumente zur
literarischen Zensur im 18. Jahrhundert. Tübingen: Niemeyer 1994, S. 70.
68 Otto: Die literarische Zensur, S. 43.
69 Plachta: Damnatur – Toleratur – Admittitur, S. 55.
2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 59
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510