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maurerordens).105 Obwohl der Bücherbesitz allein, wie gesagt, kein Vergehen
darstellte, wurde Wucherer auf Betreiben des Kaisers zu einer pauschalen Geld-
strafe von 1000 Dukaten verurteilt. Zudem vernichtete man sein Bücherlager,
löschte seine Firma und verwies ihn und seine Familie des Landes.106
Selbstverständlich war Wucherer nicht der einzige Buchhändler, der verbo-
tene Ware anzubieten hatte. Aus den geschäftlichen Verbindungen der auf livres
philosophiques spezialisierten Société typographique de Neuchâtel mit Wiener
Firmen geht hervor, dass zwischen 1786 und 1790 Rudolph und August Gräffer,
Johann David Hörling, Joseph Stahel, Christian Friedrich Wappler, die Firma
Doll und Schwaiger und der im Untergrund agierende Jean-Baptiste Mangot,
aber auch der berühmte Johann Thomas Trattner Bücher bestellten. Gefragt
waren in Wien anscheinend in erster Linie pornographische Schriften (La fille
de joie, Thérèse philosophe, Histoire de dom Bougre, Voltaires Pucelle d’Orléans)
und die materialistische Philosophie Baron d’Holbachs (Système de la nature,
Christianisme dévoilé).107
Der Illuminatenorden und Bahrdts Deutsche Union waren die ersten Verei-
nigungen, die nicht nur den Argwohn der konservativen Kräfte hervorriefen,
sondern auch Theorien über Verschwörungen zu einer revolutionären Beseiti-
gung der alten Ordnung auslösten.108 Indirekt war der Fall Wucherer verant-
wortlich für die Wiedereinführung der Präventivzensur. Nachdem seit einer
Verordnung vom 24.
Februar 1787 Manuskripte in Wien ohne Zensurgenehmi-
gung gedruckt werden durften, nach Drucklegung aber sehr wohl durch die
Zensur genehmigt werden mussten, wurde am 24. November 1789 die Präven-
105 Das Verzeichnis ist abgedruckt bei Johannes Frimmel: Geheimliteratur im josephinischen Wien.
Akteure und Programm. In: Christine Haug/Franziska Mayer/Winfried Schröder (Hg.): Geheim-
literatur und Geheimbuchhandel in Europa im 18.
Jahrhundert. Wiesbaden: Harrassowitz 2011,
S. 203–216, hier S. 211–214.
106 Wangermann: Von Joseph II. zu den Jakobinerprozessen, S. 53–55; ferner Winter: Georg Phi-
lipp Wucherer. – Zur Polemik zwischen Wucherer und Johann Rautenstrauch vgl. Leslie Bodi:
Tauwetter in Wien. Zur Prosa der österreichischen Aufklärung 1781–1795. 2., erw. Auflage.
Wien: Böhlau 1995, S. 257–262. Von Leopold II. wurde Wucherer begnadigt und wieder in
Wien aufgenommen, 1791 nach neuerlichen Verstößen gegen die Zensurbestimmungen aber
endgültig ausgewiesen (siehe Winter: Georg Philipp Wucherer, S. 72–73).
107 Vgl. Jeffrey Freedman: Books Without Borders in Enlightenment Europe. French Cosmopoli-
tanism and German Literary Markets. Philadelphia: University of Pennsylvania Press 2012,
S. 277.
108 Ihre Fortsetzung fand diese Vereinigung in dem Tugendbund (1808–1809), in Ernst Moritz
Arndts Deutschen Gesellschaften (1814–1815) und den Burschenschaften bis hin zum Wart-
burgfest und der Ermordung Kotzebues. Vgl. George S. Williamson: „Thought Is in Itself a
Dangerous Operation“: The Campaign Against „Revolutionary Machinations“ in Germany,
1819–1828. In: German Studies Review 38 (2015), No. 2, S. 285–306.
2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 69
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510