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gestiegen sein.“117 Nach einer verlässlichen Quelle repräsentierte der Bücherex-
port 1792 einen Wert von 146.000
Gulden, 1793 den Wert von 142.000
Gulden,
also nur unwesentlich mehr als den von Goldfriedrich genannten Exportwert
von 1773.118
Es ist auch unsinnig anzunehmen, dass die auf lokale Probleme und Verhält-
nisse zugeschnittenen Broschüren auf großes Interesse im Ausland gestoßen
sind. Den Löwenanteil des österreichischen Bücherexports stellten Nachdrucke
von teuren, im protestantischen Mittel- und Norddeutschland produzierten
Werken dar, die von Trattner und anderen Verlegern seit den 1760er Jahren in
großem Umfang und mit Erfolg auf den Markt geworfen wurden. Diese Nach-
druckpolitik war von Joseph fortgesetzt, aber kaum intensiviert worden. Auch
die Zensur von Zeitungen wurde 1790 verschärft, zudem war bereits 1789 eine
Steuer von einem halben Kreuzer auf jedes Zeitungsexemplar und von einem
Kreuzer auf Broschüren und Einzeldrucke von Komödien eingehoben worden,
um deren Verbreitung einzuschränken.119
Leopold
II. setzte zunächst den – zumindest auf dem Papier – liberalen Kurs
Josephs fort, ließ zum Beispiel antiaristokratische Schriften an der Zensur vor-
bei publizieren, die die adeligen Ansprüche unter Hinweis auf die Französische
Revolution bekämpften und in denen „ein satirischer, manchmal bissiger Ton“
herrschte.120 Auch verteidigte er das Recht der Bürger auf ständische Körper-
schaften und den Anspruch der Bauern auf Befreiung von Feudallasten. Ande-
rerseits kehrte er zu strengeren Zensurprinzipien zurück, wie sie unter Maria
Theresia geherrscht hatten. In Leopolds Hofdekret vom 1.
September 1790 wur-
de die „Aufrechterhaltung der allgemeinen Ruhe“ im Staat eingefordert und
alles, was „den Gehorsam gegen den Landesfürsten vermindert“ oder „Zweifel-
sucht in geistlichen Sachen“ hervorruft, verboten.121 Revolutionärer Agitation
117 Johann Goldfriedrich: Geschichte des Deutschen Buchhandels vom Beginn der klassischen Lit-
teraturperiode bis zum Beginn der Fremdherrschaft (1740–1804). (Geschichte des Deutschen
Buchhandels 3) Leipzig: Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler 1909, S. 357.
118 Vgl. Gustav Otruba: Der Außenhandel Österreichs unter besonderer Berücksichtigung Nie-
derösterreichs nach der älteren amtlichen Handelsstatistik. Wien: Kammer für Arbeiter und
Angestellte in Niederösterreich 1950, S. 43–46; siehe dazu auch Bachleitner/Eybl/Fischer:
Geschichte des Buchhandels in Österreich, S.
180. Durch die irrtümliche Ersetzung von „Gul-
den“ durch „Taler“ bei Sashegyi, Wernigg und anderen wird der angeblich exorbitante Zuwachs
noch zusätzlich vergrößert.
119 Von 1792 bis 1802 war der Zeitungsstempel aufgehoben, von da an bis 1818 wieder in Kraft.
120 Helmut Reinalter: Die Französische Revolution und Mitteleuropa. Erscheinungsformen und
Wirkungen des Jakobinismus. Seine Gesellschaftstheorien und politischen Vorstellungen.
Frankfurt/Main: Suhrkamp 1988, S. 97.
121 Zitiert in Ursula Giese: Studie zur Geschichte der Pressegesetzgebung, der Zensur und des Zei-
tungswesens im frühen Vormärz. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens
6 (1966), Sp.
341–
546, hier Sp. 385.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
72 2. Im Dienst der Aufklärung: Die Zensur zwischen 1751 und 1791
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510