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kenntnisse und politisches Fingerspitzengefühl mitbringen oder, wie es Sume-
raw, der Leiter der Polizeihofstelle, 1806 formulierte, „mit wissenschaftlicher
Bildung […] auch Geschäftskenntnisse verbinden und sich darin einen gewissen
Takt eigen gemacht haben“.19 Die profundesten „Geschäftskenntnisse“ und auch
das nötige Fingerspitzengefühl drohten zuweilen zu versagen, wenn die Autor-
intention unklar war. Das Buch Peter Sultan, der Unaussprechliche und seine
Veziere, oder politisches A.B.C. Büchlein zum Gebrauch der Königskinder von
Habessinien (1794) von Ernst August Anton von Göchhausen wurde 1795 vom
Zensor zum Verbot vorgeschlagen, weil es eine „Darstellung des Unwesens der
sogenannten Illuminaten“ enthalte, die nur dem Zweck diene, „die zu widerle-
genden Ausfälle gegen Gottesdienst, Regenten, etc. bekannt werden zu lassen“.
Die Staatskanzlei befand aber die „Absicht des Authors als unzweifelhaft“ und
das Werk als „Gegenstück wider die sozialen revolutionären Schriften“ nützlich.
Der Staatsrat Eger wischte diese Ansicht vom Tisch, indem er das Werk in die
Reihe der zahlreichen als Verteidigung des Ancien Régime getarnten Schriften
einordnete: „eben unter dieser Maske, da Voltär und Consorten die Sultane und
Bonzen lächerlich machten, haben sie auch die Häupter unserer Monarchie ver-
hasst zu machen sich bestrebet“.20
Man unterschied ,wirkliche‘ und Aushilfszensoren. Unterschiede bestanden
nicht nur in der Besoldung:
Letztere haben dieselben Verpflichtungen, wie die wirklichen Zensoren. Die wirkli-
chen Zensoren sind mit Dekret angestellt, haben demnach als solche auch die Rech-
te der Beamten; die Aushilfszensoren haben dagegen keine feste Stellung, und können
jeden Augenblick entlassen werden.21
Die Anzahl der Zensoren schwankte im Zeitraum von 1792 bis 1803 zwischen
acht und zehn, 1804 wurde das Personal, wohl wegen der weiter unten beschrie-
benen aufwändigen Rezensurierungsaktion, auf 13 aufgestockt. Von 1826 bis
1840 wurden dann auf den vorgesehenen zwölf Stellen jeweils nur zwischen fünf
und acht wirkliche Zensoren beschäftigt, die übrigen wurden mit in den Sche-
matismen nicht erfassten Aushilfszensoren besetzt. Zwischen 1841 und 1848
19 Zitiert bei Friedrich Wilhelm Schembor: Meinungsbeeinflussung durch Zensur und Druck-
förderung in der Napoleonischen Zeit. Eine Dokumentation auf Grund der Akten der Obers-
ten Polizei- und Zensurhofstelle. Wien 2010 (https://fedora.phaidra.univie.ac.at/fedora/
get/o:62678/bdef:Book/view [zuletzt abgerufen am 03.03.2017]), S. 32.
20 Wienbibliothek, Handschriftensammlung, Abschriften nach Akten des Ministeriums des Inne-
ren, Bücherzensur Bd. 2 (1793–97), fol. 214–215.
21 Wiesner: Denkwürdigkeiten der Oesterreichischen Zensur, S. 394. Näheres über Gehaltsfor-
derungen und Vorrückungen der Zensurbeamten um 1800 findet sich bei Schembor: Mei-
nungsbeeinflussung durch Zensur.
3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 97
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510