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ten. Beispiele für diese Personalunion sind in Wien etwa Johann Christian Engel
(1797–1813), Sekretär der Siebenbürgischen Hofkanzlei und Südost-Europa-His-
toriker, Johann Gabriel Seidl (1841–1848), Kustos des k. k. Münz- und Antiken-
kabinetts, oder Leopold Chimani (1841–1844), der zunächst als Lehrer, dann im
k.
k. Schulbücher-Verschleiß tätig war und eine große Zahl pädagogischer Werke
sowie Kinder- und Jugendliteratur verfasste. Beamten, die sich nur gelegentlich
schriftstellerisch betätigten, waren die k. k. Niederösterreichischen Regierungs-
räte Aloysius Freiherr von Locella (1793–1800) und Franz Karl von Hägelin (1793–
1808), nur als Beamter scheint der in der k. k. Obersten Justizstelle und in der
Direktion der Porzellan-Manufaktur beschäftigte Zensor Peter Joris (1816–1825)
auf. Joseph Schreyvogel (1817–1825) war zwar nicht beamtet, stand aber als Dra-
maturg des Burgtheaters gewissermaßen im Dienst des Hofs. Die Doppelrolle von
Autoren und zensierenden Beamten brachte diese Gruppe der staatstreuen und
angepassten Schriftsteller in Konflikt mit den die Freiheit des Wortes verteidigen-
den Kollegen, was zu einer Dauerkontroverse zwischen Konservativen und Libe-
ralen und psychologischen Verwerfungen bei den Zensoren führte.25
Auch andere mit der Bücherzensur beschäftigte Beamten betätigten sich
zugleich als Schriftsteller. In der Polizeihofstelle versah der aus Württemberg
stammende Schriftsteller Johann Michael Armbruster seinen Dienst; er war
zuvor Polizeikommissar in Freiburg im Breisgau gewesen, hatte antirevolutio-
näre und antifranzösische Schriften verfasst, war in Wien als Zeitschriftenher-
ausgeber und Betreiber einer Leihbibliothek hervorgetreten und beging 1814
Selbstmord. Im Bücherrevisionsamt arbeiteten Franz Sartori, ab 1814 als dessen
Direktor, der ebenfalls journalistisch aktiv war, und der Dichter Johann Mayr-
hofer, heute nur noch bekannt als Freund Schuberts, von dem einige seiner Tex-
te vertont wurden. Notorisch ist Mayrhofers Selbstmord: 1836 stürzte er sich aus
einem Fenster des Bücherrevisionsamtes, vermutlich weniger infolge der psy-
chisch belastenden Tätigkeit als Zensor, als in einem hypochondrischen Anfall
wegen der in Wien grassierenden Choleraepidemie.26
Sieht man von den Vertretern der wissenschaftlichen Disziplinen, meist Pro-
fessoren, die diese Tätigkeit kaum ablehnen konnten, ab, so verrichtete die Mehr-
zahl der auf untergeordneten Beamtenstellen sitzenden Zensoren ihre Arbeit
mit dem Hintergedanken, dadurch Verdienste zu sammeln und in der adminis-
25 Vgl. Waltraud Heindl: Zensur und Zensoren, 1750–1850. Literarische Zensur und staatsbür-
gerliche Mentalität in Zentraleuropa. Das Problem Zensur in Zentraleuropa. In: Marie-Eliza-
beth Ducreux/Martin Svatoš (Hg.): Libri Prohibiti. La censure dans l’espace habsbourgeois
1650–1850. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2005, S. 27–37; und Dies.: Der „Mitautor“;
zu Seidl und den Angriffen auf ihn siehe Julius Marx: Johann Gabriel Seidl als Zensor. In: Jahr-
buch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 15/16 (1959/60), S. 254–265.
26 Vgl. Karl Kasper: Schuberts Freund Mayrhofer als Bücherrevisor. In: Börsenblatt für den deut-
schen Buchhandel, Nr. 198, 25. August 1928, S. 950–953.
3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 99
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510