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den für das Fachgebiet zuständigen Zensoren zugeleitet, die das Werk zulassen
oder einen Verbotsgrad empfehlen. Das Verbot wird dann von der Polizeihofstel-
le bestätigt oder auch verworfen. Die Polizeihofstelle muss jedenfalls bei Werken,
die wichtige innen- oder außenpolitische Fragen berühren, eingeschaltet wer-
den. Selbstverständlich konnte der Zensor auch Striche oder Änderungen ver-
langen, das Manuskript wurde dann mit entsprechenden Anmerkungen an den
Verfasser zur Überarbeitung zurückgestellt. Die vorgesehenen Zensurgrade der
Zulassung bei Manuskripten wie auch bei Werken, die aus dem Ausland einge-
führt wurden, sind ,admittitur‘ – das bedeutet unbeschränkte Zulassung – und
,transeat‘, das heißt, das Werk darf verkauft, aber nicht angekündigt oder bewor-
ben werden. Das bis dahin für Manuskripte existierende Decisum ,permittitur‘,
bei dem kein österreichischer Verlagsort genannt werden durfte, wird abge-
schafft. Die Verbotsformeln lauten ,erga schedam conceditur‘ und ,damnatur‘.
Im ersten Fall konnte das lokale Bücherrevisionsamt gebildeten und vertrauens-
würdigen Personen einen Erlaubnisschein ausstellen. Im zweiten Fall war nur
die Wiener Polizeihofstelle berechtigt, Scheden zu erteilen – sie tat dies in der
Regel nur bei Anträgen von Gelehrten und Diplomaten. Als wertlos und über-
flüssig erachtete Manuskripte, die „in einem ausgezeichnet elenden Ton oder
ohne Richtigkeit und Ordnung in den Gedanken hineingehudelt, oder auf eine
andere Weise ganz ohne Gehalt sind“,35 sollen mit dem Decisum ,typum non
meretur‘ abgefertigt werden, ein Verfahren, das speziell für die Bereiche Belle-
tristik und Unterhaltungsliteratur, Flugschriften und Broschüren vorgesehen
war.
Als Verbotsgründe wurden genannt: Angriffe auf die Religion (speziell von
Seiten des Deismus, Socinianismus und Materialismus36), die Geistlichkeit, die
monarchistische Regierungsform, den Regenten oder die Verwaltung des Staa-
tes, die „Schwindelgeist, Geringschätzung der Staatsverwaltung, Unordnungen,
Unruhe, Misstrauen, Missvergnügen oder sogar Aufstand erregen könnten“,37
ferner Verletzung der Sittlichkeit und persönliche Beleidigungen (Angriffe „auf
die bürgerliche oder amtliche Ehre eines genannten oder kennbar bezeichneten
Individuums“38). Zeitschriften, die Verzeichnisse der in Wien verbotenen Bücher
enthielten, wurden nun ihrerseits verboten.39 Prinzpiell erlaubt waren zukünftig
35 Zitiert in Nagler: Regierung, Publizistik und öffentliche Meinung, S. V; siehe auch den Text
dieser Richtlinie im Anhang.
36 Deisten und Socinianer waren im weitesten Sinn hussitische Gruppen, die im Jahrzehnt
Josephs II. in Böhmen auftauchten und sogar von diesem toleranten Monarchen verfolgt und
– wenn die Bekehrung zum katholischen Glauben nicht gelang – verbannt wurden, und zwar
bevorzugt nach Siebenbürgen; vgl. Wangermann: Die Waffen der Publizität, S. 103–107.
37 Vgl. Nagler: Regierung, Publizistik und öffentliche Meinung, S. VII.
38 Siehe ebd., S. XIII.
39 Zum Beispiel druckte die Neue Allgemeine Deutsche Bibliothek von 1793 an die Verzeichnisse
der in Wien verbotenen Bücher nach.
3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 103
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510