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und bei religiöser Literatur die Meinung des bischöflichen Konsistoriums einge-
holt werden.71 Dazu kam die Revision des Gepäcks von Reisenden, von Biblio-
theken aus Nachlässen und Auktionskatalogen, Buchhändlersortiments- und
Antiquariatskatalogen, von Musikalien, Landkarten und Kunstwerken.
Von der Grabinschrift bis zum Lexikon wurde alles Geschriebene oder Gedruckte,
vom Manschettenknopf bis zum Kupferstich jede Abbildung geprüft. Bei Bildern auf
Ringen, Busennadeln oder Pfeifenköpfen war auch das Bestreben, jedes Abzeichen
geheimer Gesellschaften zu verhindern, mitbeteiligt. Bei der Musik waren Texte oder
Zeichnungen zu beachten, revolutionäre oder politische Gesänge waren verpönt;
manchmal beanstandete man Widmungen.72
Marx’ Aufzählung können als unverdächtige, aber dennoch mit Zensurproble-
men konfrontierte Gattung Wörterbücher hinzugefügt werden.73 Da kein kom-
pletter Katalog der verbotenen Titel existierte, waren sehr gute Kenntnisse der
Bibliographie, speziell der Neuerscheinungen, sowie ein Elefantengedächtnis
bezüglich der bereits früher beurteilten Druckwerke Voraussetzung für die Revi-
sionsarbeit. Ab 1815 existierten zumindest gedruckte Gesamtverzeichnisse der
verbotenen deutschen, französischen und italienischen Bücher, die in der Folge
laufend handschriftlich durch die neuen Verbote ergänzt wurden.74 Die Reviso-
ren legten zusätzlich handschriftlich kumulierte Thesauri an, im Grazer Bücher-
revisionsamt gab es z. B. ein Verzeichnis aller ausländischen Zeitungen, einen
Index der Musikalien und Steindrucke (1780–1840) und ein Verzeichnis der
erlaubten Bücher 1770–1837 in 31
Bänden.75 Bei der Sichtung von Auktionska-
talogen oder Katalogen der Buchhändler und Leihbibliotheken wäre es viel zu
aufwändig gewesen, einzelne Titel nachzuschlagen; hier musste aufgrund von
Erfahrung ein gewisses Gefühl für brisante Titel entwickelt werden.
Ferner waren wöchentlich an die vorgesetzte Stelle abzuliefernde Journalbö-
gen zu führen. Alle Eingänge von Anträgen und Geschäftsvorgänge mussten
71 Vgl. Olechowski: Die Entwicklung des Preßrechts, S. 169.
72 Marx: Die österreichische Zensur im Vormärz, S. 55.
73 Vgl. Daniel Syrovy: Das Wörterbuch muss verboten werden! Niccolò Tommaseos Synonym-
wörterbuch der italienischen Sprache und die Zensur im habsburgischen Mailand. In: Zibaldo-
ne – Zeitschrift für italienische Kultur der Gegenwart 61 (2016), S. 9–21.
74 Neu durchgesehenes Verzeichniss der verbothenen deutschen Bücher. Wien 1816; Catalogue
revue et corrigée des livres prohibés, françois, anglois et latins. An 1816; Catalogo de’ libri ita-
liani o tradotti in italiano proibiti negli stati di sua maestà l’imperatore d’Austria. Venezia 1815.
Darüber hinaus fertigten Bibliothekare und wohl auch Zensoren handschriftlich geführte
Gesamtverzeichnisse der verbotenen Bücher an.
75 Friedrich Wilhelm Kosch: Das Grazer Bücherrevisionsamt 1781–1848. In: Zeitschrift des His-
torischen Vereines für Steiermark 60 (1969), S. 45–84, hier S. 83–84.
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116 3. Die Zensur als Instrument der Repression: Die Ära Napoleons und der Vormärz (1792–1848)
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510