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protokolliert werden. Beträchtlichen Aufwand bereiteten die zahlreichen Zeit-
schriften und Zeitungen; auch auf diesem Gebiet musste alles, was die Bücher-
revision durchlief, in Listenform vermerkt werden: Zu den in zahlreichen Exem-
plaren auszufertigenden monatlichen, ab 1822 vierzehntäglich angelegten Listen
der verbotenen kamen ab 1796 auch die noch umfassenderen Listen der erlaub-
ten Schriften und Manuskripte (vgl. die Abbildungen
4 und 5).76 Überdies muss-
te Kontakt mit dem Zoll wegen der Rücksendung verbotener Bücher gehalten
werden. Außerdem waren die Revisionsbeamten zusammen mit den lokalen
Polizeibehörden auch bei Revisionen von Buchhandlungen oder Privatpersonen
engagiert und für die Entgegennahme und Administration der Gesuche um
Scheden zuständig.
Julius Marx zitiert eine Vorschrift über die bei Schedengesuchen durchzu-
führenden Erhebungen: Gefragt waren der „Stand und die Beschäftigung dieses
Schedenwerbers“, „seine persönlichen und Familienverhältnisse“, „seine bishe-
rige moralische und politische Haltung“, der „Grad und die Richtung seiner
intellektuellen Bildung“, kurz: seine „Vertrauenswürdigkeit“.77 Der Kaiser ließ
sich ab 1803 die Liste der Personen, die um Scheden für verbotene Bücher ansuch-
ten, zur Entscheidung vorlegen. Das führte zu großen Verzögerungen bei der
Behandlung solcher Bestellungen, die Polizeihofstelle befürchtete, dass dadurch
die Buchhändlerkunden auf das ,Einschwärzen‘, das heißt das Einschmuggeln
von Büchern ausweichen würden. Darauf genehmigte der Kaiser 1809, dass die
Polizei selbst über Schedengesuche entscheiden durfte, nur die mit ,damnatur
nec erga schedam‘ erledigten Bücher behielt er sich zur persönlichen Bearbei-
tung vor; die Unterlagen über Genehmigungen und Ablehnungen wollte er aber
nach wie vor zu Gesicht bekommen. Nicht nur die Namen der vertrauenswür-
digen Personen, denen der Erwerb verbotener Bücher erlaubt wurde, sollten in
Listen erfasst werden, sondern auch die Namen derjenigen Subjekte, deren Ansu-
chen abgelehnt worden waren. Als der Kaiser zudem noch genaue Auskünfte
über die Personen der Antragsteller wollte, streikte der Polizeipräsident aber,
zumal die Wohnorte der fraglichen Personen über die gesamte Monarchie ver-
streut waren und diese Informationen bei der Einreichung der Ansuchen nicht
erhoben wurden.78
Nicht einmal Mitglieder der kaiserlichen Familie erfreuten sich eines Frei-
briefs zur Lektüre verbotener Werke. Erzherzog Johann hatte, wie von ihm bestell-
te anstößige Werke – zum Beispiel über Skandalgeschichten an diversen Höfen
(Die geheime Geschichte des Hofes von St. Cloud; Vertraute Briefe über die
76 So Hadamowsky: Ein Jahrhundert Literatur- und Theaterzensur, S. 302. Nachgewiesen sind
die Listen erlaubter Bücher in Wiener Bibliotheken und Archiven aber erst ab 1810.
77 Marx: Vormärzliches Schedenwesen, S. 459.
78 Schembor: Meinungsbeeinflussung durch Zensur, S. 76 u. 81.
3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 117
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510