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Jene verruchte Verbrüderung, welche seit einem halben Jahrhundert an dem Umstur-
ze der bestehenden und selbst aller möglichen gesetzlichen Ordnung und aller Thro-
ne unablässig arbeitet, hat im Jahre 1830 in Frankreich einen bedeutenden Sieg errun-
gen, welcher ihr jedoch keineswegs genügt: Ihr Plan geht weiter, er umfaßt die Welt.105
Unter dem Eindruck der Ereignisse richtete Metternich 1833 einen geheimen
Überwachungs- und Spitzeldienst, das Mainzer Informationsbüro, ein, das bis
1842 existierte.106 Darüber hinaus wurden innerhalb der Monarchie Spitzelsys-
teme in Lombardo-Venetien, Galizien (1835) und Ungarn-Siebenbürgen (1837)
eingerichtet. Eine Besonderheit des Überwachungssystems war die Datenver-
netzung im „Wiener Zentralinformationskomitee“, einer 1834 etablierten Zen-
tralstelle, in der die verschiedenen Berichte zusammengeführt und in Protokol-
le eingebunden wurden.107
Ein Produkt der eingeholten Informationen war das 1835 ausgesprochene
Verbot des Jungen Deutschland. Die unter dieser Bezeichnung zusammenge-
fassten Autoren standen nur in loser Verbindung miteinander, der Gruppenna-
me ist eine Erfindung der Sicherheitsbehörden, die möglicherweise auf einer
Verwechslung mit der Gruppe des ‚Jungen Deutschland‘ beruhte, die sich analog
zu den politischen Bewegungen des ,Jungen Italien‘ (mit der Zeitschrift La gio-
vine Italia) und des ,Jungen Europa‘ (angeführt von Giuseppe Mazzini) formiert
hatte. Am 13.
November 1835 sandte Karl Gustav Noé von Nordberg, der Leiter
des Mainzer Informationsbüros, einen Bericht „Über das junge literarische
Deutschland“ nach Wien, in dem er über gefährliche Umtriebe unter anderem
des Verlegers Sauerländer und der Autoren Duller, Gutzkow, Menzel, Beurmann,
Mundt und Wienbarg berichtete.108 Am 14. November erfolgte in Preußen das
Verbot der vergangenen und zukünftigen Schriften des ‚Jungen Deutschland‘
mit ausdrücklicher Nennung von Gutzkow, Laube, Wienbarg und Mundt, das
bereits im Februar 1836 wegen mangelnder Rechtsgrundlage wieder aufgehoben
wurde. Stattdessen wurde im Juni 1836 mit dem Geheimen Hofrat Karl Ernst
John ein speziell für die jungdeutschen Schriften verantwortlicher Zensor
bestimmt.109 Es waren die „Schmähungen gegen die Religion“, vor allem das
105 Zitiert in Dominik Burkard/Gisbert Lepper/Wolfgang Schopf/Hubert Wolf: Die Macht der
Zensur. Heinrich Heine auf dem Index. Düsseldorf: Patmos 1998, S. 19.
106 Zur Gründung vgl. Fritz Reinöhl: Die österreichischen Informationsbüros des Vormärz, ihre
Akten und Protokolle. In: Archivalische Zeitschrift, 3. Folge, 5 (1929), S. 261–288; zur Tätig-
keit des Büros ausführlich Hoefer: Pressepolitik, S.
72–178; zu den Berichten die Editionen von
Karl Glossy: Literarische Geheimberichte aus dem Vormärz. Mit Einleitung und Anmerkungen
hg. v. Karl Glossy. Wien: Konegen 1912, und Adler: Literarische Geheimberichte.
107 Siehe dazu Hoefer: Pressepolitik, S. 60–61 u. 66–68.
108 Burkard/Lepper/Schopf/Wolf: Die Macht der Zensur, S. 64.
109 Grimm: Karl Gutzkows Arrivierungsstrategie, S. 176.
3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 129
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510