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unliebsame Aufmerksamkeit zu vermeiden. Immerhin wurde die übliche Sum-
me von 50
Gulden Strafe für Handel mit verbotenen Büchern im Fall von Öster-
reich und dessen Zukunft drastisch erhöht, nämlich auf 1000 Gulden.207 Angeb-
lich kaufte die österreichische Regierung auch große Teile der ersten Auflage
auf.208 1846 brachten Franz Schuselkas Oesterreichische Vor- und Rücktritte (1846)
das Fass dann doch zum Überlaufen.
Campes ebenfalls von der österreichischen Zensur boykottierter Leidensge-
nosse Keil hatte 1846 Népkönyv (Volksbuch) verlegt, das in Österreich als anti-
monarchistische Hasstirade aufgefasst wurde, ferner gab er die liberalen Zeit-
schriften Unser Planet und Leuchtturm heraus. Der von Mayer und Georg Wigand
1842 gegründete Verlag Gustav Mayer209 brachte unter anderem Karl Bieder-
manns Schriften sowie Schuselkas Briefe einer polnischen Dame (1846) und Soci-
ale und politische Zustände Oesterreichs mit besonderer Beziehung auf den Pau-
perismus (Ende 1846, auf dem Titelblatt 1847) heraus.
Keil benannte seinen Verlag nach dem Verbot in „Kabinett für Literatur“ um
oder firmierte als „Volksbücher-Verlag“, publizierte munter weiter und versand-
te seine Bücher weiterhin an österreichische Buchhandlungen. Campe ließ für
den Versand nach Österreich eigene Titelblätter anfertigen, die den wahren Inhalt
verbargen, so wurden zum Beispiel Börnes Briefe aus Paris, die sich politischen
Fragen widmeten, unter dem Titel „Beiträge zur Länder- und Völkerkunde“ aus-
geliefert.210 Laut Prinz wiesen bestellende österreichische Buchhändler durch
ein spezielles Zeichen (++) darauf hin, dass es sich um verbotene Bücher han-
delte, die ,diskret‘ eingeführt werden mussten.211 Campe brachte überdies Wer-
ke unter falschen Verlagsnamen heraus, so den 2.
Teil von Österreich und dessen
Zukunft sowie Heines Atta Troll unter dem Namen G.
W. Niemayer. Auch diese
Eskamotierungsversuche wurden jedoch aufgedeckt.212 Wie geschickt Campe
operierte, zeigt die Anekdote eines von ihm abgewehrten österreichischen Spit-
zelangriffs. Den Wiener Behörden war es ein großes Anliegen, den anonymen
Verfasser von Oesterreich und dessen Zukunft ausfindig zu machen, so entsand-
ten sie einen Prager Polizeibeamten namens Muth nach Hamburg. Dieser gab
sich als Wiener Kaufmann aus, kaufte bei Campe einige in Österreich verbotene
Bücher und erkundigte sich beiläufig nach dem Verfasser der Aufsehen erregen-
207 Vgl. Über die Presse in Österreich. In: Revue östreichischer Zustände 1843, Bd. 2, S. 23–45;
abgedruckt in: Jung Österreich. Hg. v. Madeleine Rietra, S. 54. Dort ist von 800 Talern Strafe
die Rede.
208 Andrian-Werburg: „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen“, Bd.
1, S.
367 (22.2.1843).
209 Vgl. Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler, deutsche Buchdrucker. Berlin und Eberswalde
1902–1908. Reprint Hildesheim, New York: Olms 1979, S. 549.
210 Prinz: Der Buchhandel vom Jahre 1815 bis zum Jahre 1843, S. 42.
211 Vgl. ebd.
212 Vgl. zu diesem Abschnitt Marx: Österreichs Kampf, S. 16–24.
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184 3. Die Zensur als Instrument der Repression: Die Ära Napoleons und der Vormärz (1792–1848)
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510