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nisiert waren und an jeweils verschiedenen Tagen entstanden sind; es handelte
sich also um administrativ getrennte Abläufe.
In Prag wurde jedes verdächtige importierte Buch innerhalb der Kommissi-
on einem Fachreferenten zugeteilt. Dieser erstattete darüber mit Zusammenfas-
sung und teilweise sehr umfangreichen Zitaten in der Originalsprache Bericht,
woraufhin die Kommission ihr Decisum fällte. Falls dieses nicht einstimmig war,
wurde das Buch noch einmal von allen Kommissionsmitgliedern begutachtet.
Die gesammelten Materialien und Dezisen wurden in Form eines Exzerpts des
Zensurkommissionsprotokolls – versehen mit Sitzungsdatum, Angabe der Kom-
missionsmitglieder und Datum – nach Wien eingesendet, wo die endgültige
Entscheidung über das Buch gefällt wurde. Die Wiener Entscheidungen wurden
regelmäßig in der Form von Listen nach Prag übersandt, die drei Kategorien
aufwiesen: ,admissi‘, ,restricti‘ und ,ad remittendum‘, also über die Grenzen
zurückzuschicken. Diese Methode musste ganz offensichtlich zu großen Verzö-
gerungen führen; vielleicht nimmt das Prager Dokument deshalb um 1780 die
neue Form einer „Consignation deren von der allhiesigen Bücher-Censurs-Com-
mission neuerlich für verwerflich angesehenen Bücher“ bzw. der „theils zu remit-
tierenden, theils erga schedam zuzulassen befundenen Bücher“ an.17 Auf dieser
letzteren Liste sind die Bücher mit sehr differenzierten Dezisen versehen wie
zum Beispiel ,erga schedam‘, ,ad remittendum‘, ,erud. erga schedam‘, ,erga sche-
dam cum cautela‘, ,erga schedam continuantibus‘, ,erga schedam sine difficulta-
te‘, ,ad class. hæreticum‘ oder ,hæreticis‘.
Der ein- bis zweiwöchentlich von der Prager Kommission verfertigte soge-
nannte „Auszug aus dem Manuskripten-Protokoll“ verzichtet dagegen zumeist
auf die Namen der Zensoren und ist vom in Böhmen per Dekret vom 11. Sep-
tember 1779 ins Leben gerufenen Bücherrevisionsamt ausgefertigt und von sei-
nem Leiter unterzeichnet. Geordnet ist er nach dem Einreichenden – Verlags-
buchhändler, Drucker oder Autor –, unter dessen Namen das entsprechende
Druckprojekt angeführt ist. Daneben findet sich das Decisum, das nur bei latei-
nischen Werken lateinisch angeführt ist, sonst jedoch auf Deutsch: ,erlaubt‘
(admissus) bei Nachdrucken oder Fortsetzungen periodischer Drucke, ,kann
gedruckt werden‘ (typis imprimi potest), ,mit Verbesserung erlaubt‘ oder ,nicht
erlaubt‘ bzw. ,darf nicht gedruckt werden‘ bei neuen Texten. Es handelte sich
dabei nicht um feststehende Formeln; sie konnten auch erweitert werden, etwa
zu „mit Abänderung des Titels, und so getroffener Einrichtung, daß es dem
Deutschen Lustspiel gleicht, kann es gedruckt werden“.18 Belege dafür, dass
17 NA, ČG-P, 1774–1783, Karton 727, Signatur G5/1.
18 So die Anmerkung zu einem tschechischen Theaterstück im „Auszug aus dem Protokoll Derern
vom 28. Febr. bis 18. Merz einschl. a. c. bey dem k. k. Bücherrevisionsamte eingekommenen
Manuskripten“ (NA, ČG-P, 1774–1783, Karton 728, Signatur G5/1, Protokoll vom 28.2.–
18.3.1782). 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer:Das Königreich Böhmen (1750–1848) 199
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510