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war und bis zum Eintreffen der Entscheidung der Polizeihofstelle im dortigen
Bücherrevisionsamt aufbewahrt wurde. Aus Platzmangel wurden aber im Okto-
ber 1822 die unerledigten Bücher ins Ausland zurückgeschickt. Erst zwei Mona-
te später erlaubte die Wiener Zensur das Werk.41
Seit Ende der 1810er Jahre beschränkte sich also die Ausübung der Zensur in
Prag auf die Beurteilung der zu druckenden Manuskripte bzw. Neuerscheinun-
gen und auf die Zeitungs- und Theaterzensur. Im Bereich der Zensur der Bücher-
importe beschränkte man sich lediglich auf die Kontrolle der aus dem Ausland
eingelangten Bücherballen anhand der periodischen Listen der erlaubten und
verbotenen Schriften, die regelmäßig aus Wien eingingen und in Prag vermut-
lich bis 1848 in Form alphabetischer Kataloge zusammengefasst wurden.42
Das Verhältnis zwischen Provinzial- und Zentralzensur wurde dabei ständig
durch neue Instruktionen spezifiziert bzw. modifiziert, die nicht selten durch
einzelne brisante Vorfälle veranlasst wurden. Ein instruktives Beispiel stellt das
von Georg Norbert Schnabel, einem Professor für Statistik an der Prager juridi-
schen Fakultät, verfasste Werk Die europäische Staatenwelt dar: Die Zulässigkeit
dieses Werks wurde infrage gestellt, nachdem es im Jänner 1820 in Wien „unlieb-
sames Aufsehen […] erregte“, während es zuvor, 1818–1819, von dem Prager
Professor der politischen Wissenschaften Wenzel Gustav Kopetz ohne Zögern
zum Druck genehmigt worden war. Infolge einer neuerlichen nachträglichen
Zensur (durch Eugen Kaster, einen Wiener Professor für Natur-, Staats-, Völker-,
Handels- und Seerecht) wurde das Werk aus politischen Gründen verboten und
in den Buchhandlungen konfisziert, was nicht nur eine langjährige Verhandlung
mit dem Verleger Widtmann um Entschädigung nach sich zog und die Karriere
Schnabels an der Prager Universität gefährdete, sondern auch zu einer aller-
höchsten Entschließung vom Juni 1825 Anlass gab, in der „die größte Strenge
in Prüfung von Werken staatsrechtlichen, politischen und religiösen Inhalts“
angeordnet und die Maßregel getroffen wurde, „daß alle Werke größern Gewichts
und wichtigern Inhalts bloß in Wien von der Zensurhofstelle selbst die Zulas-
sung zum Druck erhalten dürfen“.43
Von einer annähernd abgeschlossenen Zentralisierung der Zensur kann ab
1822 bzw. 1823 die Rede sein. Ab 1822 scheinen nämlich die in Prag zum Druck
41 NA, PG, 1826–1830, Karton 1434, Signatur 16/46.
42 Solche alphabetischen Kataloge sind jedoch nur sporadisch erhalten, so zum Beispiel NA, PG,
Buch Nr.
210a (Katalog der erlaubten Bücher 1828, 2.
Teil), Nr.
211a-d (Katalog der erlaubten
ausländischen Werke 1846–1848), Nr. 212–215 (Verzeichnisse der erlaubten und verbotenen
Kupferstiche und Musikalien).
43 NA, PG, 1821–1825, Karton 1267, Signatur 22/10. Zum Fall Schnabels vgl. weiter Petr Píša:
Knižní cenzura v
Čechách v
předbřeznové době. Dipl. Karlsuniversität Prag 2010, S.
124–133;
Pavel Bělina/Milan Hlavačka/Daniela Tinková: Velké dějiny zemí Koruny české, Bd.
11.a, 1792–
1860, Praha, Litomyšl: Paseka 2013, S. 255–260.
4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer:Das Königreich Böhmen (1750–1848) 207
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510