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Erg.). Daneben gibt es Hinweise (§ 10a–n) auf spezifische Generalverbote aus-
ländischer Provenienz, nämlich von günstigen bzw. kostenlosen Bibeln („Le bib-
bie stampate e distribuite gratis od a prezzo assai tenue a cura di società od anche
di Governi esteri“), von ausländischen Drucken mit falschem österreichischem
Imprimatur, ausländischen Nachdrucken österreichischer Publikationen, Sub-
skriptionen zu mehrbändigen Reihen, bevor diese geschlossen vorlagen, und
ausländischen hebräischen Publikationen zu religiösen Themen. Ferner ist die
Rede von Generalverboten bei inländischen Drucken, und zwar von traurigen
Prognosen („opuscoli di tristi prognostici […] i quali non servono che a spar-
gere l’inquietudine fra il popolo“), Schriften zu Rechtsfällen, bevor ein öffentli-
ches Urteil gefällt wurde, Rechtssammlungen privater Natur etc. Ein Erlass aus
dem Jahr 1830 weist darauf hin, dass mehrbändige Werke im Buchhandel voll-
ständig nach der strengsten für einen einzelnen Band gültigen Zensurkategorie
behandelt werden müssten (§ 10e).
Darüber hinaus wurde festgelegt, welche Gutachten für fachlich einschlägige
Inhalte (Medizin, Recht, Finanzen, Infrastruktur …) einzuholen waren, wobei
die Kompetenzen verschiedenen Ämtern zufielen (§ 11a–s), wozu ebenfalls
umfangreiche Korrespondenzen im ASM vorliegen. Auch heikle Punkte bei Kup-
ferstichen und Bilddarstellungen wurden klar benannt (Portraits des Kaisers und
der kaiserlichen Familie müssen diesen ähneln, §
11g; ausländische Abbildungen
Napoleons seien immer zumindest mit ‚transeat‘ zu behandeln, inländische gar
nicht zuzulassen, § 11h). Zuletzt fehlt auch nicht der Hinweis darauf, dass der
Namensheilige des Kaisers unbedingt in allen Almanachen zu nennen sei: „Negli
almanacchi si deve far menzione del Santo di cui il Sovrano porta il nome“ (§
16b).
Bei dieser Menge an teils kuriosen Einzelheiten ist aber ebenso von Bedeu-
tung, dass für Lombardo-Venetien vor 1841 keinerlei systematische Darstellung
der einzelnen Regulierungen und Entscheidungen existierte. Die gesetzliche
Regelung ist daher als work in progress zu verstehen. Die Zensoren mussten sich
von Zeit zu Zeit auf neue Anweisungen einstellen und bereits vergangene Erläs-
se und Entschließungen in Erinnerung behalten. Dass dies in der Praxis nicht
immer bzw. nicht für alle Regelungen der Fall gewesen sein kann, ist nicht nur
indirekt aus der Notwendigkeit des Neudrucks des Piano della Censura von 1841
zu schließen, sondern auch aus den zahlreichen archivalischen Belegen für Nach-
fragen nach Wien einerseits und andererseits aus Ermahnungen und Erinne-
rungen, die von Sedlnitzky nach Lombardo-Venetien geschickt wurden, um die
Zensurpraxis möglichst im zentral vorgegebenen Rahmen zu halten.
Das bedeutet aber auch, dass jede Diskussion der Zensur als Kraft im litera-
rischen Feld der habsburgischen italienischsprachigen Provinzen insgesamt
betrachtet nur sinnvoll ist, solange die praktische Seite der Vorgänge und Abläu-
fe in den Bücherrevisionsämtern einbezogen wird. Zum Glück erlaubt die Mate-
riallage in den Archiven von Mailand und Venedig viele Rückschlüsse darauf.
4.2. Daniel Syrovy:Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 227
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510