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Waren diese Regelungen auch von großer Bedeutung, was die Kommunika-
tion zwischen Zensur und Buchhändlern bzw. Buchdruckern anging, können
wir deren Situation hier nur am Rande behandeln. Solche Angelegenheiten wur-
den formell im Rahmen der Istruzioni da osservarsi dagli stampatori e librai vom
Juli 1818 geregelt. Für uns von Bedeutung sind vor allem einige wenige Punkte.
Zunächst galten auch für Buchdrucker zeitliche Fristen, nämlich insofern, als
ein Imprimatur „für Manuskripte oder zum Nachdruck zugelassene Werke, so
wie auch für die in Druck zu legenden Bücher ‚Licitations‘ oder Sortiments-Ka-
taloge“ auf „die Dauer Eines Jahres“ beschränkt war. Dies sei nicht zuletzt des-
halb der Fall, da „bei den in der Zwischenzeit oft wesentlich veränderten Zeit-
verhältnißen und speziellen Umständen“ weitere Zensurmaßnahmen möglich
werden konnten.115 Dies erklärt zumindest zum Teil, warum einzelne Titel wie-
derholt auf den Listen der bearbeiteten Manuskripte vorkommen. Weiters wur-
de den Buchhändlern auch zugemutet, die Regale im Bücherrevisionsamt, die
zur Aufbewahrung konfiszierter Ware dienten, selbst zu finanzieren.116 Die Abläu-
fe der Zollinspektionen, der Öffnung von Bücherpaketen usw. entsprechen,
davon abgesehen, weitgehend jenen in Wien.
Weniger von Seiten der Zensur als von Seiten der Polizei galt auch für Lom-
bardo-Venetien, dass wegen der ständigen Befürchtungen, der Bücherschmug-
gel würde zum groß angelegten Verkauf verbotener Bücher führen, die Behör-
den keineswegs vor aktiven Nachforschungen zurückschreckten, etwa mithilfe
von agents provocateurs. In einem Gutachten des Polizeidirektors Torresani an
Gouverneur Strassoldo heißt es über einen solchen Fall, den bekannten Verleger
und Buchhändler Fortunato Stella betreffend:
Übrigens stand auch er so wie beynahe alle übrigen Buchhändler im Verdachte, daß
er sich mit dem Verkaufe verbothener Bücher abgebe. Ich ließ ihn auch deßhalb heim-
lich überwachen, allein bis nun war es mir nicht möglich, diesen Verdacht zu erwäh-
ren, obwohl ich auch den wiederholten Versuch anstellte, fremde Leute zu ihm zu
schicken, um derley Bücher zu kaufen.117
Obwohl in diesen Fällen die Polizei hauptverantwortlich war, belegen die Mate-
rialien im Mailänder Staatsarchiv doch anschaulich, wie stark die Zensurbehör-
de in alle diese Vorgänge einbezogen wurde. Insofern muss eine Gesamtdarstel-
115 Vgl. ASM, Cancellerie austriache 107a, Normalien 1828, Sedlnitzky an Spaur vom 18.12.1828.
116 Vgl. die zitierte Istruzione (Anhang zum PGC), § 15: „Ogni commerciante di libri deve prov-
vedersi di un armadio, che starà nell’Ufficio di Censura, ove ne sarà custodita la chiave.“
117 ASM, Presidenza di governo 81, 2611/geh vom 20./22.12.1824, das Schreiben vom 20.12. Ein
ähnlicher Fall von 1833 liegt vor unter ASM, Presidenza di Governo 174, Fasz. 342 (Verneh-
mungsprotokoll Lorenzo Solchi vom 8.3.1833). Zum Fall Santini, der von Callegari: Produzi-
one, S. 392–405, beschrieben wird, vgl. oben, S. 137.
4.2. Daniel Syrovy:Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 237
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510