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breiteten Ansichten vertrat.75 Auf dem letzten Stand der Wissenschaft präsen-
tierte sich dagegen Johann Godofredus Mayers Historia Diaboli sev Commenta-
tio de Diaboli, Malorumque Spiritvvm Exsistentia, Statibvs, Ivdiciis, Consiliis,
Potestate.76 Proteuflische Schriften fanden selbstverständlich keine Gnade, zum
Beispiel Johann Christian Riebes Doch die Existenz und Wirkung des Teufels auf
dieser Erde gründlich erwiesen.77 Aber auch kritische Kommentare zum Teufels-
glauben wurden verboten, sei es, dass sie zu sehr auf das, was sie bekämpften,
eingingen, sei es, dass den Zensoren der Verdacht kam, wenn der Teufel zu radi-
kal geleugnet werde, könnte man auf die Idee kommen, in seinem Gefolge Gott
gleich mit abzuschaffen. Auch ging Kritik am Teufel oft nahtlos in Kritik an sei-
nen ‚Verteidigern‘ und damit an Teilen des Klerus über. Zumindest in der Ära
Maria Theresias wurde die Aufklärung noch in Grenzen gehalten. Titel wie Über
die Non-Existenz des Teufels78 wurden daher verboten. Die Conclusio einer aus-
führlichen Abhandlung des Hallenser Popularphilosophen Georg Friedrich Mei-
er lautete beispielsweise folgendermaßen:
Wir wollen also den Schluß machen, daß der Mangel der wahren Vernunft daran
Schuld ist, daß die Menschen Hexereyen, leibliche Besitzungen des Teufels, und ande-
re solche Dinge noch heute zu Tage glauben. […] Es kostet aber im Gegentheil gar
keine Geschicklichkeit und Mühe, dem Teufel etwas schuld zu geben, dabey zu seuf-
zen und mit andächtigen Mienen allerley erbauliche Betrachtungen dabey anzustel-
len, die einem von ohngefähr einfallen. […] Man wird, in dem Urtheile blödsinniger
Leute, groß, indem man alle Vernunft verleugnet. Und man erlangt also, mit der
allergrösten Gemächlichkeit, ein ehrwürdiges Ansehen. Eine besondere Art der Markt-
schreyerey, welche einen reichen Stof zur Satyre darbietet.79
In der von Meier angedeuteten Form der satirischen Aufklärung taucht das Motiv
in Wilhelm Ludwig Wekhrlins Zeitschrift Das Graue Ungeheuer auf, die sogar
in dem milderen Zensurklima der josephinischen Epoche verboten wurde. Wek-
hrlin führt die verbreiteten Vorstellungen von Teufelsgestalten, die Satyrn ähneln,
auf die Verwechslung mit großen Menschenaffen durch frühchristliche Einsied-
ler in der thebaischen Wüste zurück, denen übermäßiges Fasten das Gehirn aus-
getrocknet habe. Zur entsprechenden Wiedergabe eines Dialogs zwischen einem
75 Zu Wier vgl. di Nola: Der Teufel, S. 268 und 270-272.
76 Editio altera. Tvbingae Svmptibvs Ioh. Georgii Cottae. MDCCLXXX.
77 Nürnberg: O. V. 1776.
78 Berlin: Lange 1776.
79 Georg Friedrich Meiers, der Weltweisheit ordentlichen Lehrers, der königlichen Academie der
Wissenschaften zu Berlin Mitgliedes, und d.
Z. Prorectors, philosophische Gedanken von den
Würkungen des Teufels auf dem Erdboden. Halle, verlegts Carl Hermann Hemmerde 1760,
S. 167–168.
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286 6. Fallstudien
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510