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eine unsittliche Lehre oder eine wirckliche sittenlose That oder Verbrechen dar-
stellen. Wirckliche Blutschande, Ehebruch können nie den Stoff der dramati-
schen Handlung ausmachen. Von Versuchen, Attentaten oder auch von Schein-
verbrechen ist hier nicht die Rede, nur muß das publicum, wenn die handelnden
Personen das Verbrechen der Haupt- oder einer andern handelnden Person ver-
muthen oder glauben und die Verwicklung darauf ruhet, vom Irrthume unter-
richtet seyn wie in dem Stücke: das Scheinverbrechen.
Personen männlichen Geschlechtes können der Tugend Schlingen legen, Ver-
suche und sträfliche Anträge machen; allein ein Frauenzimmer kann nie, wäre
es auch nur zum Scheine, einwilligen. Wenn ein Frauenzimmer zum Scheine in
den Antrag des Liebhabers einwilliget oder dem sträflichen Liebhaber zum Schei-
ne einen rendezvous gibt, um ihn z. B. zu beschämen, so muß es das Publikum
wissen und keinen Augenblick wegen der erlaubten Absicht im Zweifel stehen,
welches oft dadurch geschiehet, daß das Frauenzimmer die Absicht ihrer Ver-
stellung ihren Freundinnen entdeckt .....
Heurathsstifter und Unterhändler unsträflicher Liebschaften und Billetenträger
geben keinen Anstoß, sonst müssten oft alle Soubretten oder Bediente dazu
gezählet werden. Nur auf Putzhändlerinen muss Acht gegeben werden. Im West-
indier [von Richard Cumberland] ist zwar auch eine Frau, bey der die Geliebte
des Westindiers wohnet; allein es geschiehet kein verdächtiger Schritt, der der
Ehre nachtheilig wäre, und der Westindier heurathet seine Geliebte.
In keinem Stücke haben förmlich unterhaltene Maitressen statt, wie in dem Stücke
Kabale und Liebe oder wie im Grafen di Santa Vechia [von Friedrich Gottlieb
Julius Burchard], welches leztere noch besonders wegen der Geisterbannerey,
die darin vorkömmt, verdächtig, weil solche Bannereyen oft zu Anspielungen
auf kristliche Exorcismen gemißbraucht werden.
In keinem Stücke können .... Auftritte geduldet werden, wo Geld angebothen
wird, unter dem Vorwande, die Person in die sogenannte Protecktion zu neh-
men, eigentlich aber die Tugend zu verführen.
Eugen Humbrecht, oder die Kindesmörderin [von Heinrich Leopold Wagner]
dürfte von manchem Leser als ein sehr moralisches Stück angesehen werden,
weil es die traurigen Folgen einer durch die Nachsicht ihrer Mutter verführten
und von einem Leutenant zu Fall gebrachten Tochter sehr abschreckend darstel-
let; allein die Künste der Verführung werden dabey auch dargestellet ....
Karacktere von … Ehebrecherinen können eben so wenig auf das Theater gebracht
werden ....
Leichtsinnige Koketten, verschwenderische und mit andern Fehlern des Welt-
tons behaftete oder irregeführte Weiber kommen in dramatischen Stücken genug
vor und sind, wenn der Stoff gehörig behandelt ist, nicht anstössig, sondern
belehrend. Nur muß die äussere Zucht nie leiden.
Die Zensur hat auch darauf zu sehen, daß nie zwey verliebte Personen mitein-
2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 449
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510