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Leopolds des 2ten aufgeführt wurde und auch hierorts auf Sr. Majestät Befehl auf-
geführt werden sollte, zu verhindern gesucht und es auch verhindert.
Freyheit und Gleichheit sind Wörter, mit denen nicht zu scherzen ist, und die
man einestheils durch Tadel weder verächtlich und andern Theils durch Spott
eben so wenig lächerlich machen kann, als die der menschlichen Natur einge-
pflanzte jugendliche Liebe, denn diese leztere kann nur bey einem Greise lächer-
lich werden.
Turpe senex miles, turpe senilis amor.
Die Behandlung der Freyheit im politischen Verstande, wenn es nemlich keine
Befreiung von einer Gefangenschaft etc. bedeutet, ist also weder im Komischen,
noch im Tragischen, weder im Ernste, noch im Scherze auf den dem Unterzeich-
neten untergebenen Theatern zugelassen worden.
Hiebey ist noch zu mercken, daß Stücke, welche Aufruhre, Empörungen, Con-
spirationen wider die Regenten oder andere rechtmässige Regierungen enthal-
ten, diese Laster mögen am Ende gestraft werden oder nicht, derzeit nicht aufs
Theater zu bringen seyn. Dieses ist auch von Stücken zu verstehen, die Empö-
rungen von Negersklaven in Colonien wider die dasigen gouverneurs oder Auf-
seher der Plantagen enthalten.
Die Erfahrung hat gelehrt, daß ein Stück: die traurigen Folgen des Aufruhrs in
einem Vorstadttheater eingestellet werden mußte, weil es eine dem Zwecke des
Authors entgegengesezte Wirkung hervorbrachte; welches ganz natürlich ist, weil
es Zuschauer von verschiedenen Gesinnungen gibt; die einen applaudiren bey den
Stellen wo von der Unterdrückung die Rede ist, wo sich andere darüber ärgern.
Stücke, worinn von Bedrückung der Unterthanen durch Abgaben oder übertrie-
bene Jagdbeschwerden, Bauernschinderey von Seite ihrer Gutsherrn oder sogar
der Beamten die Rede ist, oder deren Stoff ausmachen, unterliegen der nemli-
chen Bedencklichkeit. Das nemliche verstehet sich, wenn blos im Dialog Aus-
fälle darüber erscheinen, die nie zu dulden sind.
Man kann sich vorstellen, wie sich die Stimmung des Publikums von Zeit zu Zeit
ändert. Die Strelizen von Babo, ein Stück, worin ein Komplot wider Peter den
Grossen vorkömmt, wird jeder Zeit mit Gefallen aufgeführet; und Menzikof [von
Franz Kratter], welches nur einen Privatkomplot enthält, der ernstlich bestraft
wird, wurde nicht so aufgenommen, weil die Stimmung mancher Menschen aus
dem Publikum zaghaft war, und auswärtige Begebenheiten oft einen Einfluß auf
diese Stimmung machen, oder vielleicht auch, weil die Bestrafung des Komplots
einigen zu streng scheinen mochte.
Fiesco oder die Verschwörung von Genua, welches Stück noch von Kaiser Josephs
des 2ten Zeiten her ist, wurde noch im vorjährigen Winter mit allerhöchster Beg-
nehmigung aufgeführt, welches aber künftig unterlassen werden wird.
Die Zensur hat also in andern Erbstaaten die Zeitumstände und die Lokalität in
Betracht zu ziehen und alte derley Stücke von obiger Gattung und Inhalte, wenn
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456 Anhang
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510