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Der Staat protegirt rechtmässige Ehen und Geburten aus guten Gründen; wenn
daher Stoffe oder auch Ausdrücke im Dialog vorkommen, die die uneheliche
Geburt der ehelichen auf eine affectirte Art gleichmachen oder gar erheben, so
ist das Bedenckliche wegzustreichen. Es verstehet sich aber, daß es auch ein Vor-
urtheil ist, jemanden wegen der Geburt, für die er nichts kann, zu verachten.
Wenn solche Stoffe vorkommen, wo es anfänglich nur scheint, daß eine Person
des Stückes von unehelicher Geburt sey, am Ende aber sich die Rechtmässigkeit
derselben entdeckt, so ist die Sache an und für sich nicht bedenklich, wie über-
haupt Schein und Wircklichkeit sehr voneinander unterschieden sind.
Das Wort Bastard wird im Dialog hierorts, so viel es thunlich ist, vermieden,
und meistens Wechselbalg dafür gesetzt. Auch dieser Gegenstand muß der Klug-
heit des Zensors überlassen werden.
Auf dem Theater kommen häufig Mißheurathen vor, wo Tugend und Schönheit
oft einen Rang erhält; die Sache ist meistens unbedencklich. Nur ist darauf zu
sehen, daß die Farben von der Gleichgiltigkeit der Geburt nicht zu starck auf-
getragen werden, oder statt einer Ausnahme von der Regel ein allgemeiner Grund-
satz über die Gleichheit der Stände gemacht wird.
Ausfälle auf den alten und neuen Adel, auf die Nichtigkeit der Adelsbriefe müs-
sen ebenfalls vermieden werden, obwohl Thoren jeder Art, mithin auch Ahnen-
stolze auf dem Theater erscheinen können, wenn nur der Stand im Ganzen
geschonet wird. Es gibt ältere zu ihrer Zeit unbedencklich gewesene Stücke, wo
es Kritiken auf diesen oder jenen vom Adel gab. Z.
B. im Kaufmann von Smirna
[von Sébastien-Roch Nicolas Chamfort], wo sich ein Baron und ein Herr von
als Sklaven befinden, die keinen Anwerth haben. Jene Stellen müssen gemildert,
und derley Stücke neuerdings revidirt werden.
Damit die Wörter Adel, Kavalier nicht so oft im Munde handelnder Personen
herumgeschleppet werden, so kann es z.
B heissen: er glaubt, dieß thun zu dür-
fen, weil er von Kondition, vom Stande, von guter Herkunft ist. Dadurch wird
verhütet, daß das Wort „Adel“ nicht immer in den Ohren der Zuschauer klingt;
item muß darauf gesehen werden, daß ein Stand z.
B. der bürgerliche oder Bau-
ernstand vergleichungsweise nicht über den vornehmern, wenn dieser auch sei-
ne Pflicht erfüllet, auf eine erniedrigende Art erhoben werde ....
Von dem Worte „Aufklärung“ ist auf dem Theater eben so wenig Erwähnung
zu machen als von der Freiheit und Gleichheit; denn die neue Philosophie ist
im Stande wider dasjenige, was obige Wörter bedeuten, sogar zu deklamiren,
weil ihr nur daran ligt, die Ohren des Publikums mit demselben zu familarisi-
ren. In der Sache selbst ist es ihr aber nie Ernst. Wenn Grundsätze der sogenann-
ten Aufklärung im Stücke vorgebracht werden, so werden sie nur zum Scheine
gemißbilliget, indem die handelnde Person dieselben ganz schwach widerlegt
oder sich blos darüber verwundert ....
So wie sie gerne Stücke von den Zeiten des ehemaligen Faustrechts, von soge-
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458 Anhang
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510