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Inschriftenüberlieferung bis zum Ende des 14. Jahrhunderts | 21
heiligen Stätten begleiten sollten.20 Da in der früheren Hauptstadt des imperium
Romanum pagane römerzeitliche Inschriften noch allgegenwärtig waren, ist es durch-
aus denkbar, dass die eine oder andere doch auch in einen der Pilgerführer aufge-
nommen worden ist.
Sicher nachweisbar ist dies erst für ein anonymes Werk aus der Karolingerzeit. Der
Verfasser wurde nach dem Fundort der Handschrift, der Benediktinerabtei Einsie-
deln in der Schweiz, „Anonymus Einsidlensis“ genannt und wird häufig als der
„erste Inschriftensammler des Abendlandes“ bezeichnet – zumindest ist er der erste,
dessen Werk erhalten geblieben ist.21 Dieser Codex Einsidlensis 326 stammt aus dem
ausgehenden 8. oder frühen 9. Jahrhundert und ist nach den Erkenntnissen von Bern-
hard Bischoff dem Skriptorium des Klosters Fulda zuzurechnen.22 Die Pergament-
handschrift enthält neben einem Itinerar für Pilger durch Rom und einer Beschrei-
bung der römischen Stadtmauer auf fol. 67r–79r die älteste bisher bekannte Samm-
lung römerzeitlicher Inschriften. Dabei handelt es sich um 75 Inschriften aus Rom
und fünf aus Pavia, dem antiken Ticinum, der späteren Hauptstadt des Langobarden-
reiches. Natürlich sind auch in dieser Zusammenstellung christliche Inschriften
enthalten, doch stellen sie interessanterweise nicht den Schwerpunkt dar. Sogar zwei
griechische Inschriften sind darunter: Eine Grabinschrift aus Rom bzw. eine Inschrift
aus Pavia zu Ehren des hl. Petrus, die mit einiger Sicherheit aus der langobardischen
Kirche S. Pietro in Ciel d’Oro stammt23.
Der große epigraphische Wert dieses Manuskripts besteht wie bei vielen Humanis-
tenhandschriften vor allem darin, dass von den 80 überlieferten Inschriften nur zwölf
heute noch erhalten sind. Für etwa 40 heute verlorene Steine stellt der Codex
Einsidlensis gar den einzigen Beleg dar. Darunter befinden sich hochinteressante
Dokumente wie zum Beispiel die vollständige Bauinschrift der Diokletiansthermen
(305/306 n. Chr.) oder die Renovierungsinschrift des Pons Salarius durch Justinians
Feldherrn Narses (565 n. Chr.). Überhaupt enthält der Codex mehrheitlich Inschriften
von gleichsam offiziellem Charakter. Die in wesentlich größerer Zahl vorkommen-
den Privatinschriften vermochten das Augenmerk des frühen Sammlers noch nicht
20 Marie René de la Blanchère, Histoire de l’Épigraphie Romaine depuis les Origines jusqu’à la Publication
du „Corpus“, Paris 1887, 3, nennt in diesem Zusammenhang das Breviarium urbis Romae (5. Jh.?)
und den Curiosus urbis, der unter Papst Gregor dem Großen (590–604) entstanden ist.
21 Dieses besondere Werk – mittlerweile auch online verfügbar unter der persistenten URL
http://www.e-codices.unifr.ch/it/list/one/sbe/0326 – hat naturgemäß in zahlreichen Publikationen
Niederschlag gefunden. Als grundlegend (auch in Hinblick auf die Nennung und Einbeziehung
älterer Literatur) sind anzuführen Gerold Walser, Die Einsiedler Inschriftensammlung und der Pil-
gerführer durch Rom (Codex Einsidlensis 326), Stuttgart 1987, sowie Franz Alto Bauer, Das Bild der
Stadt Rom in karolingischer Zeit: Der Anonymus Einsidlensis, in: RQ 92 (1997) 190–228. Zur formalen
Wirkung der karolingischen Sammlung, v. a. auf Poggio Bracciolini, siehe Ott, Entdeckung des
Altertums 137–142.
22 Dazu Walser, Codex Einsidlensis 9. Bauer, Anonymus Einsidlensis 206–209, präzisiert die Datierung
Walsers mit den späten Jahren des Pontifikats Hadrians I. (gest. 795) oder dem Ponitifikat von
Leo III. (795–816).
23 Cod. Einsidlensis 326, fol. 78r bzw. 79r. Siehe dazu Walser, Codex Einsidlensis 141.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548