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3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes
im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht
Um 1460 stand Italien längst in der Blütezeit des Humanismus. So konnte bereits
eine Vielzahl gelehrter Männer das epigraphische Erbe von Poggio Bracciolini und
Ciriaco d’Ancona antreten. Dagegen war in der ehemaligen Provinz Noricum wie im
gesamten Alpengebiet in diesem Zeitraum mittelalterliches Gedankengut noch stark
verbreitet. Gerade im Bereich der Altertumsforschung sind zunächst nur vereinzelte
Begegnungen mit dem kritischen Geist des Humanismus festzustellen.
Den mühevollen Prozess, bis sich durch die neue Denkweise größeres Verständnis
für die antiken Bodenfunde entwickeln und etablieren konnte, veranschaulicht recht
gut die Chronik der Grafen von Cilli etwa aus der Mitte des 15. Jahrhunderts.189
Zwar konnte Alphons Lhotsky bei dem unbekannten Autor einen „schon humanis-
tisch anmutenden Gedanken“ konstatieren, wonach „ein Fürst, der keinen Ge-
schichtsschreiber finde, mit dem glockenschlagk wird vergessen“190, doch bei der
Schilderung der römerzeitlichen Überreste der antiken Stadt Celeia fehlt noch spürbar
ein entsprechendes Verständnis: „das Cilli [...] so mechtig ist gewesen, das prifft man
heutiges tags wohl an den starcken mauren und an den grossen marmelstein, die man da
findet [...] Wenn man wol ein solches stuck da findet, das kein hultzerner wagen magk
ertragen, wie die dar kommen sind, das ist mit grosser macht und reichthumb dar gangen.
Und dieselben leuth hetten ihn gern ewigh gedechtnus gemacht und jeder lies ihm sein
zeichen und nahmen mit hauptpuechstaben graben in die herten marmelstein. Derselben
leuth doch nun gantz und gar vergessen, wann der stein noch etlich zerbrechen seindt, und
ob man sy nun lesen kan, so weis doch niemandt von ihnen zu sagen.“191
Auch Thomas Ebendorfer aus dem niederösterreichischen Haselbach (1388–1464)
blieb vom Humanismus noch weitestgehend unberührt.192 Wohl hatte sich der
Doktor der Theologie als sehr fortschrittlich erwiesen, indem er sich als erster Pro-
189 Nähere Angaben zu Inhalt, Überlieferungsgeschichte und weiterführender Literatur bei Lhotsky,
Quellenkunde 350–351.
190 Lhotsky, Quellenkunde 350.
Besonders ausgeprägt war dieser Gedanke bei Kaiser Maximilian I., der das Amt eines
Hofhistoriographen schuf.
191 Zitiert nach: Franz von Krones, Die Freien von Saneck und ihre Chronik als Grafen von Cilli. II. Teil:
Die Cillier Chronik, Graz 1883, 62–63. Vgl. auch Uiblein, Altertumsforschung 56–57 und Šašel Kos,
Augustinus Tyfernus 1316a.
192 Leben und Werke Ebendorfers sind durch die Arbeiten von Alphons Lhotsky, Paul Uiblein und
Harald Zimmermann sehr gut erforscht, grundlegend etwa Alphons Lhotsky, Thomas Ebendorfer.
Ein österreichischer Geschichtsschreiber, Theologe und Diplomat des 15. Jahrhunderts (Schriften der
MGH 15), Stuttgart 1957, und ders., Quellenkunde, bes. 375–391, jeweils mit zahlreichen Hinweisen
auf weiterführende Literatur. Aus jüngerer Zeit ist zu erwähnen Harald Zimmermann, Thomas
Ebendorfer, ein Universalhistoriker der konziliaren Epoche, in: RömHM 40 (1998) 389–414.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548