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24 | Inschriftenüberlieferung bis zum Ende des 14. Jahrhunderts
Gleich anderen Überresten aus römischen Siedlungen dienten sie vielmehr als will-
kommenes Baumaterial für die allmählich im Entstehen begriffenen Städte. In be-
sonderem Maße gilt dies für Orte, die sich auf dem Boden oder in der Nähe
römerzeitlicher Siedlungen entwickelten.35 „Man besaß im Mittelalter allgemein
kaum Verständnis für die antike Hinterlassenschaft“, formulierte Manfred Niegl tref-
fend, „und wir müssen daher schon dankbar sein, dass die Existenz so mancher
Überreste in Chroniken und ähnlichen Schriften erwähnt wird.“36 Sofern Inschriften
überhaupt Eingang in mittelalterliche Werke fanden, waren sie meist christlicher
Herkunft; heidnische Denkmäler wurden nur in Ausnahmefällen erwähnt.
Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich bei der jüngeren Passio Sancti
Quirini martyris, die zwischen 1164 und 1173 aus der Feder des Tegernseer Mönches
Heinrich entstanden ist.37 Teile daraus wurden in eine Chronik der Benediktinerabtei
Tegernsee aus dem 15. Jahrhundert (De fundatione monasterii Tegernseensis et trans-
latione Sancti Quirini martyris a Roma ad locum eundem) übernommen, so auch das
Kapitel V über die Herkunft der Bayern (das sogenannte Norikerkapitel)38; dort
findet sich die für uns interessante Notiz: „Huius pater Noricorum rex scribitur, cuius
successores etiam soli usque hodie regni habent iura preter coronam, quamvis apud Iuvavum
inter antiquae urbis ruinas in lapide decem et septem pedum reperta sit haec scriptura
exsculpta: ,tempore Augusti Caesaris fuit Fabianus rex Romanorum, Iuvavensium et totius
Germaniae, post hunc Antonius, post hunc Severus‘.“39 Es handelt sich dabei selbstver-
ständlich nicht um die korrekte Abschrift eines antiken Inschrifttextes, jedoch könnte
der Verfasser durchaus einen römerzeitlichen Stein vor Augen gehabt haben, wie
35 Z. B. Enns oder Salzburg. Vgl. dazu Paul Uiblein, Geschichte der Altertumsforschung in Österreich vor
Wolfgang Lazius (ungedr. Diss.), Wien 1950, 32.
36 Manfred Alois Niegl, Die archäologische Erforschung der Römerzeit in Österreich, Wien 1980, 14. Dazu
ist zu bemerken, dass von den römerzeitlichen Überresten damals gewiss noch mehr zu sehen war
als heute.
37 Siehe Johann Weissensteiner, Tegernsee, die Bayern und Österreich. Studien zu Tegernseer Geschichts-
quellen und der bayerischen Stammessage. Mit einer Edition der Passio secunda s. Quirini (AÖG 133),
Wien 1983, 28–32. Vgl. auch Alphons Lhotsky, Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Öster-
reichs (MIÖG Erg.-Bd. 19), Graz/Köln 1963, 212, sowie Lothar von Heinemann, Zur Kritik Tegern-
seer Geschichtsquellen, in: NA 12 (1887) 159–160.
38 Den Text der beiden Passiones Sancti Quirini edierte Theodor Mayer im AÖG 3 (1849) 281–351,
nicht jedoch das Norikerkapitel; diesbezüglich verweist er (S. 333) auf Bernhard Pez, Thesaurus
Anecdotorum Novissimus III 3 (Augsburg 1721) 495–496. Eine gedruckte Fassung dieses Abschnittes
bietet auch Bernhard Sepp in der Beilage zu seinem Artikel über Die Berechnungen des Todesjahres
des hl. Rupert, in: OA 49 (1895/96) 408–431; der Text basiert auf einer Handschrift aus der BSB in
München (CLM 18571=Teg. 571) aus dem ausgehenden 12. Jh. Auch einige heute in der ÖNB auf-
bewahrte Codices enthalten eine Abschrift des fraglichen Kapitels, interessanterweise aber sonst
nichts aus der Passio: CVP 423 (Ende 12. Jh., fol. 7r–8rf), CVP 389 (Ende 13. Jh., fol. 12v–13v) und –
von letzterem (teilweise) kopiert – CVP 328 (15. Jh., fol. 2v–3r). Eine Neuedition der Passio secunda
s(ancti) Quirini hat Weissensteiner in seinem oben zitierten Buch Tegernsee, die Bayern und Öster-
reich 1983 vorgelegt. Darin enthalten ist u. a. eine Beschreibung der obengenannten Codices samt
zugehörigem Stemma.
Zum CVP 423, insbesondere zur Problematik um eine Randbemerkung bei der Überschrift des
sog. Norikerkapitels, siehe weiter unten.
39 Weissensteiner, Tegernsee 258; Sepp, Hl. Rupert 430; Pez, TAN III 3, Sp. 495; CVP 423, fol. 7v; CVP
389, fol. 13rb; CVP 328, fol. 3rb.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548