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42 | Humanismus und Renaissance aus epigraphischer Sicht
er sich schließlich zu der wahnsinnigen Idee einer tatsächlichen Wiederherstellung
des antiken Zustandes („Roma renascens“ bzw. „Renovatio Romae“).114 Seine politi-
schen Phantasien entwickelte Rienzo nicht nur durch das Studium der antiken Auto-
ren, sondern auch bei seinen zahllosen Streifzügen durch die Überreste der Römer-
zeit: „Tutta die se speculava nelli intagli de marmo che iaccio intorno a Roma“ heißt es in
seiner Vita.115 Besonderes Augenmerk legte er dabei auf die Inschriftsteine und er-
warb bald als angeblich Einziger die Fähigkeit, die Texte dieser antiken Denkmäler
zu lesen: „Non era aitri che esso, che sapessi leijere li antiqui pataffij.“ Das neu gewonnene
Wissen versuchte er wiederholt seinen Zeitgenossen näher zu bringen, um ihnen den
Glanz des Altertums als Gegenbild zu den schlechten Zuständen der Gegenwart vor
Augen zu führen und sie letztlich auch für seine politischen Ziele zu begeistern:
„Tutte scritture antiche vulgarizzava; queste fegure de marmo iustamente interpretava.“
Eine ganz besondere Rolle spielte dabei die sogenannte lex de imperio Vespasiani, die
Cola di Rienzo kurz vor dem Jahre 1347 wiederentdeckt hatte und an einer Wand der
Lateransbasilika befestigen ließ.116 Unter Berufung auf dieses eherne Gesetz, mit dem
Vespasian seine kaiserlichen Vollmachten übertragen worden waren, legte er dem
Volk seine alten Rechte dar, rief in Rom eine Volksrepublik aus und nahm in weite-
rer Folge am 15. August 1347 den Titel eines Volkstribunen an.117
Nach dem aktuellen Stand der Forschung besitzen wir von Cola di Rienzo keinen
schriftlichen Nachlass epigraphischen Inhalts – die durch Giovanni Battista De Rossi
erfolgte Zuschreibung der ältesten Fassung der Sylloge Signoriliana an ihn ist von
114 Zu Rienzos politischen Ambitionen siehe u. a. Karl Heinrich Höfele, Rienzi. Das abenteuerliche
Vorspiel der Renaissance (München 1958) und in jüngerer Zeit Thomas Bulant, Die Renovatio
Romae oder Cola di Rienzos Weg zum Tribunat im Spiegel seiner Zeit, (ungedr. Dipl.), Wien 2001. Eine
ausführliche Zusammenstellung weiterführender Literatur bietet der Artikel von Peter Schmid im
BBKL VIII 329–334, s. v. Rienzo, Cola di.
115 Die sog. Vita di Cola di Rienzo ist als Kapitel 18 des zweiten und Kapitel 27 des dritten Buches einer
fragmentarisch erhaltenen Geschichte Roms („Cronica“) überliefert, ihr unbekannter Autor des
14. Jh. wird heute üblicherweise als „Anonymus Romanus“ bezeichnet. Neben der italienischen
Originalversion wurde auch die lateinische Fassung der Cronica herausgegeben von Ludovico
Antonio Muratori, Antiquitates Italicae medii aevi, Mailand 1740, 247–548. Eine jüngere, mit Erklä-
rungen versehene Ausgabe der italienischen Vita stammt von Arsenio Frugoni: Anonimo Romano,
Vita di Cola di Rienzo, Florenz 1957. Die Orthographie der zitierten Textstellen richtet sich nach der
Edition von Frugoni.
116 Darüber gibt er selbst in einem Brief vom 15. August 1350 an den Prager Erzbischof Auskunft;
zitiert bei: De Rossi, ICUR II 1, 316, Anm. 2, und CIL VI, S. XVI. Zur heute im Kapitolinischen Mu-
seum in Rom befindlichen Inschrift siehe CIL VI 930 (+S. 4307; 4340) = EDR 103907, sowie umfas-
send Luigi Capogrossi Colognesi, Elena Tassi Scandone (Hrsg.), La lex de imperio Vespasiani e la
Roma dei Flavi. Atti del Convegno. Roma, 20–22 novembre 2008 (Acta Flaviana 1), Roma 2009, darin
bes. Marco Buonacore, La „fortuna“ della lex de imperio Vespasiani in età umanistica: primi sondaggi,
47–73.
117 Siehe Abs. 3 der Vita di Cola di Rienzo, wo auszugsweise seine Rede enthalten ist (ediert bei
Frugoni, Cola di Rienzo 41–46). Vgl. auch Weiss, Discovery of Antiquity 40–41.
Da sich Rienzo auf Vespasians Befugnisse als Volkstribun bezog, wurde lange Zeit angenommen,
er hätte noch den verlorenen Teil der lex gekannt, der die Verleihung der tribunicia potestas an den
Kaiser enthalten haben muss. Siehe dazu Marta Sordi, Cola di Rienzo e le clausole mancanti della „lex
de imperio Vespasiani“, in: David Daube u. a. (Hrsg.), Studi in onore di Edoardo Volterra II (Pubblica-
zioni della Facoltà di Giurisprudenza dell’Università di Roma 41), Roma 1971, 303–311.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548