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44 | Humanismus und Renaissance aus epigraphischer Sicht
um in jeweils zwei oder mehr Codices vorliegen.123 Die Autorschaft der frühesten
Fassung, üblicherweise als „Farrago Barberiniana“ bezeichnet124, ist nach wie vor offen.
So wird die Sylloge zweckmäßigerweise immer noch unter dem Namen des Senats-
schreibers Nicolò Signorili geführt, der zumindest das Verdienst trägt, als erster die
ursprüngliche Fassung der Sammlung für sein auf Geheiß von Papst Martin V. ver-
fasstes Werk De iuribus et excellentiis urbis Romae benutzt zu haben.125
Tatsache ist, dass wir es in Form der Sylloge Signoriliana mit dem ersten epigraphi-
schen Schriftstück seit dem Codex Einsidlensis zu tun haben, das neben einigen
wenigen christlich-antiken und mittelalterlichen wieder vornehmlich pagane römer-
zeitliche Inschriften enthält. Die Texte der überwiegend stadtrömischen Inschriften
werden bereits in der ältesten Handschrift, dem Cod. Barb. Lat. 1952, in neuen
Majuskeln (inkl. Diphtongen!) wiedergegeben, was als bemerkenswert festzuhalten
ist. Die Ortsangaben zu den einzelnen Inschrifttexten hingegen wurden in Minuskeln
geschrieben – eine Kombination, die später auch bei Sammlern norischer Inschriften
anzutreffen ist.
Die bisher erwähnten Anfänge der Beachtung und Überlieferung römerzeitlicher
Inschriften waren zunächst ohne große Nachwirkung geblieben. Seit Petrarca stand
nach Karl Christ „Jahrhunderte hindurch im Mittelpunkt aller Anstrengungen die
Wiederentdeckung und Erschließung der lateinischen und griechischen Texte“126. Die
antiquarischen Forschungen der Humanisten beschränkten sich oft gleichsam auf die
Freizeit, was aber nicht heißt, dass hier keine großen Leistungen zu verzeichnen sind.
Auch der Ruhm des gebürtigen Florentiners Poggio Bracciolini (1380–1459) fußt
mehr auf der Entdeckung von Handschriften als auf seinen epigraphischen Leistun-
gen, obwohl letztere nicht unbeträchtlich, ja sogar herausragend und richtungswei-
send waren.127 Ferdinand Gregorovius sah in ihm gar den „wahren Begründer der
Epigraphik“.128
Aus einem Brief von Coluccio Salutati wissen wir, dass Poggio schon kurz nach
seiner erstmaligen Ankunft in Rom im Jahre 1403 zahlreiche römerzeitliche Inschrif-
ten abgeschrieben und an ihn geschickt hat. Als (einzigen) Beleg für eine erste frühe
123 Eine Übersicht bietet Silvagni, Silloge Signoriliana 176–177. Siehe auch ausführlich die bei Ott, Ent-
deckung des Altertums 134, zitierte ungedruckte Dissertation von Peter Spring, The topographical and
archeological study of the City of Rome, 1420–1447 (Edinburgh 1972). Ein Exemplar dieser nützlichen,
aber raren Arbeit ist in der British School at Rome zu finden.
124 Der namensgebende Cod(ex) Barb(erinianus) Lat(inus) 1952 der Biblioteca Apostolica Vaticana trug
früher die Signatur Cod(ex) Barb(erinianus) XXX, 25.
125 Für die Entstehungszeit dieses Werkes ist Signorilis Todesjahr 1427 als terminus ante quem anzu-
setzen.
126 Christ, Römische Geschichte 21.
127 Grundlegend zu Poggio ist immer noch die bereits relativ alte Biographie von Ernst Walser,
Poggius Florentinus. Leben und Werke, Leipzig/Berlin 1914. Der Autor verwehrt sich darin ent-
schieden gegen andere Namensformen als Poggio Bracciolini; sämtliche Zusätze wie etwa
Gianfrancesco (nach seinem fünften Kind) seien ihm von späteren Biographen gegeben worden
(6, Anm. 4).
128 Gregorovius, Rom III 271.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548