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48 | Humanismus und Renaissance aus epigraphischer Sicht
gangenheit hatte gleichfalls Vorbildcharakter. Wie bei den Handschriften antiker
Autoren meinte er auch bei den Inschriften retten zu müssen, was noch zu retten
war. Dabei scheute er sich auch nicht, selbst unter Gestrüpp und Brombeersträu-
chern fast verborgene Inschriften aufzustöbern, „ut si, quod persaepe vidimus, ea
Romani everterint, saltem titulorum extet memoria."147 Nach brieflicher Übermittlung an
seine Freunde zur Begutachtung wurden die Abschriften der Sammlung einverleibt.
Wohl nicht zuletzt aus diesem Grund wurde die Sylloge Poggiana erst knapp vor 1430
veröffentlicht.148
Starke Impulse für die Überlieferung antiker Inschriften hat auch Ciriaco de‘ Pizzi-
colli d‘Ancona (Cyriacus Anconitanus, geb. ca. 1391, gest. vor 1457) gesetzt.149 Im Alter
von zwölf Jahren hatte der Spross einer angesehenen Kaufmannsfamilie seinen
Großvater auf einer Handelsreise nach Neapel begleitet und war dort zum ersten
Mal mit römerzeitlichen Altertümern in Berührung gekommen. Davon tief beein-
druckt versuchte er sich als enthusiastischer Autodidakt in klassischer Bildung, wo-
bei er wie in kaufmännischen Belangen sein Wissen vor allem aus der Praxis,
weniger aus der Literatur bezog. Dadurch stand Ciriaco förmlich in Kontrast zu den
Buchgelehrten wie Poggio Bracciolini.150 Stark geprägt haben ihn auch die römerzeit-
lichen Überreste seiner Geburtsstadt Ancona: Mit der Transkription der Inschrift des
dortigen Trajansbogens begann er seine epigraphische Tätigkeit.151
1424 durfte er erstmals mit eigenen Augen die antiken Relikte in der Stadt Rom
sehen. In höchster Bewunderung schrieb er diesen größeren Wert zu als der litera-
rischen Überlieferung: „At cum maximas per urbem tam generosissimae gentis reliquias
undique solo disiectas aspexisset, lapides et ipsi magnarum rerum gestarum maiorem longe
147 Poggio Bracciolini, De varietate fortunae, hrsg. von D. Georgius, Paris 1723, 9 (zitiert bei Walser,
Poggius Florentinus 145, Anm. 2).
148 Diese Datierung stützt sich auf die vorhin auszugsweise zitierte Passage aus Poggios erstem Buch
De varietate fortunae; siehe Walser, Poggius Florentinus 145, Anm. 2, und Kajanto, Poggio and
Epigraphy 32, mit Bezug auf De Rossi, ICUR II 1, 339.
Zum Inhalt der Sammlung im Detail siehe CIL VI, S. XXVIII–XL, und De Rossi, ICUR II 1, 1–12
sowie 338–342. Eine Übersicht in Form einer Tabelle findet man bei Kajanto, Poggio and Epigraphy
21–24.
149 Zu seiner Person vgl. CIL III, S. XXII–XXIII; CIL VI, S. XL–XLI; ICUR II 1, 356–387; Voigt, Humanis-
mus I 269–286, Ziebarth, Cyriacus 214–222, sowie Erich Trapp, Prosopographisches Lexikon der
Palaiologenzeit VI, Wien 1983, Nr. 13983. Die Monographie von Jean Colin, Cyriaque d'Ancône. Le
voyageur, le marchand, l'humaniste, Paris 1981, weist nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass sie
auf Basis eines unvollständigen Manuskripts posthum herausgegeben wurde, einige Unzuläng-
lichkeiten auf, ist aber dennoch als (biographisches) Standardwerk heranzuziehen. Die jüngsten
Forschungsergebnisse zu Ciriaco, inkl. biographischer und epigraphischer Beiträge, finden sich
zusammengefasst in den Akten des Kongresses Ciriaco d’Ancona e la cultura antiquaria
dell’Umanesimo vom Februar 1992, hrsg. von Gianfranco Paci und Sergio Sconocchia (Reggio
Emilia 1998). Vgl. ferner Alain Schnapp, Die Entdeckung der Vergangenheit. Ursprünge und Abenteuer
der Archäologie, Stuttgart 2009, 124–125 u. 128.
150 Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt Stenhouse, Reading Inscriptions 21–22, wenn er Poggio als
„the more conventional figure“ und Ciriaco als „the more idiosyncratic figure“ charakterisiert.
151 Vgl. Augusto Campana, Giannozzo Manetti, Ciriaco e l’arco di Traiano ad Ancona, in: IMU 2 (1959)
483–504.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548