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Humanismus und Renaissance aus epigraphischer Sicht | 49
quam ipsi libri fidem et notitiam praebere videbantur.“152 In Folge unternahm er ausge-
dehnte Reisen, um in ganz Italien, aber auch in anderen ehemaligen Provinzen des
römischen Reiches Überreste zu suchen und aufzuzeichnen („Quam ob rem et reliqua
per orbem diffusa videre atque litteris mandare proposuit.“153). Seine Ziele lagen dabei
schwerpunktmäßig im adriatischen Gebiet (Istrien, Dalmatien) und östlichen Mittel-
meerraum (Ägypten, Syrien, Kleinasien, Thrakien, Makedonien sowie im übrigen
griechischen Festland und Inselraum).154
Auf diesen Reisen ließ sich Ciriaco weniger von kaufmännischen Interessen als von
einem ausgeprägten antiquarischen Wissensdrang leiten und suchte unermüdlich
nach den Spuren der Antike. Besondere Aufmerksamkeit widmete er dem Kopieren
griechischer und römischer Inschriften. Darüber hinaus nutzte Ciriaco sein künstleri-
sches Talent, um Gebäude und Denkmäler wie etwa die Akropolis in Athen zu
zeichnen – alles im Bestreben, die Antike für die Nachwelt bestmöglich zu konser-
vieren, wo doch die unwissenden Menschen tagtäglich vor seinen Augen wertvollen
Marmor zu Gips verbrannten, wie er König Sigismund anlässlich dessen Kaiser-
krönung (1433) in Rom klagte.155
Literarische Frucht seiner Reisetätigkeit war eine Art Tagebuch, in dem Ciriaco alles
notierte, was er auch nur annähernd für erwähnenswert hielt. Folglich bestanden
diese „commentarii“, wie er sie selbst nannte, aus einer bunten Mischung von In-
schriftenkopien, Fundnotizen, Zeichnungen, Münzlegenden, Gedichten, Tagebuch-
eintragungen, Bibliothekskatalogen, Briefen und vielem mehr. Ciriacos Freund Pietro
Ranzano (1428–1492) hat davon „tre grandi volumi scritti et lineati di propria mano di
quello“ gesehen156, während wir heute nur noch geringe Bruchstücke und einige
152 Aus der Vita Cyriaci Anconitani von seinem Zeitgenossen und Freund Francesco Scalamonti
(Franciscus Scalamontius), ediert von Giuseppe Colucci, Le antichità Picene XV, Fermo 1792, XLV–
CLV, hier wesentlich: LXXII. Die Kenntnis der Vita haben wir einer erhaltenen Abschrift von
Felice Feliciano zu verdanken: Codex Tarvisinus 221 der Biblioteca Capitolare, Tarvisio. Diese auf
autobiographischen Notizen basierende Lebensbeschreibung reicht allerdings nur bis zum Jahr
1435. Vgl. auch CIL VI, S. XL, Voigt, Humanismus I 269, Anm. 1, sowie in jüngerer Zeit Bodnar,
Ciriaco’s Cycladic Diary 49 und 60, Anm. 2. 1996 erschien schließlich eine zweisprachige
Neuausgabe der Vita (lat./engl.): Edward W. Bodnar, Charles Mitchell (Hrsg.), Vita Viri Clarissimi
Et Famosissimi Kyriaci Anconitani by Francesco Scalamonti (Transactions of the American Philo-
sophical Society 86,4), Philadelphia 1996.
153 Colucci, Antichità Picene XV, LXXII.
154 Zu Ciriacos Reisetätigkeit allgemein vgl. CIL III, S. XXII–XXIII. Mit seinen Reisen zu griechischen
Zielen hat sich v. a. Edward W. Bodnar beschäftigt: Cyriacus of Ancona and Athens (Collection
Latomus XLIII), Brüssel/Berchem 1960, und ders., Charles Mitchell (Hrsg.), Cyriacus of Ancona’s
journeys in the Propontis and the Norther Aegean 1444–1445 (Memoirs of the American Philosophical
Society 112), Philadelphia 1976. Vgl. auch Remigio Sabbandi, Ciriaco d’Ancona e sua descrizione
autographa del Peloponneso trasmessa da Leonardo Botta, in: Ders., Classici e umanisti da codici Ambro-
siani (Fontes Ambrosiani 2), Firenze 1933, 1–52. Ciriacos Zeichnungen von den Inschriftsteinen
finden sich leider nur in der älteren Version von Sabbandis Aufsatz in einer schwer zugänglichen
Gedenkschrift: Miscellanea Ceriani. Raccolta di scritti originali per onorare la memoria di Mr Antonio
Maria Ceriani, Milano 1919, 183–247.
155 Vgl. die entsprechende Stelle der Vita Cyriaci Anconitani bei Colucci, Antichità Picene XV 89.
156 Ranzanos Worte zitiert Leandro Alberti, Descrittione di tutta Italia (1. Aufl. Bologna 1550), 254v;
siehe dazu Rita Cappelletto, Ciriaco d’Ancona nel ricordo di Pietro Ranzano, in: Paci/Sconocchia,
Ciriaco d’Ancona 71. Vgl. auch CIL III, S. XXIIa.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548