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52 | Humanismus und Renaissance aus epigraphischer Sicht
gegeben, sich (auch) in ihrer Heimat und auf etwaigen Reisen für römerzeitliche In-
schriften zu interessieren.
2. Arbeitsweise
Auch in Bezug auf seine Arbeitsweise ist Ciriaco zum Vorbild geworden: Da seine
antiquarischen Sammlungen von ihm niemals überarbeitet wurden, enthielten sie die
gesammelten Inschriften in der Reihenfolge ihrer Transkription, eben dem Reisever-
lauf entsprechend. Dieses wesentliche Muster begegnet in vielen humanistischen
Codices, denen zwar keine (primäre) topographische, jedenfalls aber antiquarische
Intention zu attestieren ist.169
Für die moderne Wissenschaft besteht der große Wert von Ciriacos Arbeit weiters
darin, dass er – anders als frühere Humanisten – nicht nur Monumentalinschriften
seine Aufmerksamkeit geschenkt hat, sondern erkannte, dass auch aus den vielen
„kleinen“ Inschriften wertvolles Wissen über die Antike gewonnen werden kann.170
Bei der Transkription der Inschrifttexte muss ihm generell ein sehr gutes Zeugnis
ausgestellt werden, denn er berücksichtigt in den allermeisten Fällen die Zeilentren-
nung ebenso wie die Ligaturen, indem er die Inschriften nicht nur in Capitalis
quadrata wiedergab, sondern wie erwähnt auch zu zeichnen versuchte und mit
exakten Angaben jenes Ortes versah, an dem er den betreffenden Stein mit eigenen
Augen gesehen hatte.
Dass Ciriaco nicht immer positiv beurteilt wurde und wird, liegt offenbar zu einem
nicht geringen Teil an seiner Persönlichkeit. Wie eingangs erwähnt, hatte er die
klassische Bildung im Selbststudium erworben und konnte gewiss darauf stolz sein.
Doch dürfte die vielen Autodidakten eigene Selbstgefälligkeit bei Ciriaco besonders
ausgeprägt gewesen sein. „Dem Halbgebildeten ist es eben eigen, dass er die Mängel
seiner Bildung nicht fühlt, dass er sich überschätzt [...]; er hatte auch nur gelesen und
studiert, was ihm der Zufall in die Hand führte“, urteilte einst Georg Voigt über die
schwachen und lächerlichen Seiten Ciriacos.171 Voigt meinte ferner, dass der Anconi-
taner bei der Nachwelt generell in einem besseren Licht dastehen würde, hätte er
nicht fast krampfhaft versucht, trotz aller Bildungsmängel auch als Dichter und
Gelehrter Anerkennung zu finden, sondern sich auf die „fruchtbarste Seite seiner
rastlosen Tätigkeit beschränkt“, nämlich auf das Sammeln und Transkribieren von
Inschriften.172
Unter Beachtung seiner persönlichen Umstände und der daraus resultierenden
Bildungslücken gelangt Margherita Guarducci schließlich zu einem recht positiven
169 Als Beispiel dafür ist neuerlich die Sammlung des Augustinus Tyfernus zu nennen. Vgl. Kap. 4.3.
170 Bei Poggio etwa sind nur ein Fünftel der überlieferten Texte Grabinschriften, obwohl sie den
Großteil der römerzeitlichen Inschriften ausmachen; vgl. Kajanto, Poggio and Epigraphy 35.
171 Voigt, Humanismus I 283–285. Ein ähnliches Urteil fällte auch Mommsen in CIL III, S. XXIII: „Homo
fuit garrulus et fastosus, scriptor tumidus et ineptus et cum multa doctrinae affectatione parum eruditus,
omnino talis fere quales solent esse qui a nemine nisi a se didicerunt, id quod ipse de se praedicare solebat.“
172 Voigt, Humanismus I 281.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548