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58 | Humanistisches Gedankengut im Ostalpenraum
seine zahlreichen wohlstilisierten Briefe humanistisches Gedankengut in unserem
Raum zu verbreiten.199 Gerne wird in diesem Zusammenhang auf seine barsche Ab-
lehnung von Leopold Stainreuters „Chronik von den 95 Herrschaften“ verwiesen,
der Ebendorfer noch nicht die geringsten Vorbehalte entgegengebracht hatte.200
Piccolomini bezeichnete sich selbst einmal als „praeceptor Austriae“201, und auch heute
wird er vielfach „Wegbereiter des Humanismus in Österreich“ genannt. Beide Be-
zeichnungen müssen – wie die Nachwirkung Piccolominis insgesamt – etwas diffe-
renziert betrachtet werden: Als Wegbereiter der humanistischen Erforschung von
Bodenfunden oder gar der Inschriftenüberlieferung kann er jedenfalls nicht be-
zeichnet werden. Er war „kein Humanist von Schlag eines Poggio“, wie Lhotsky
treffend formulierte.202 Wie er sich bei der von ihm gefundenen Handschrift der
Getica des Jordanes mit ein paar Exzerpten begnügte und sich nicht mit einer philo-
logischen Textedition aufhielt, stand ihm offenkundig auch nicht der Sinn nach
antiquarischer Detailarbeit. Aus einigen Stellen seines umfangreichen Werkes ist zu
schließen, dass er den gegenständlichen Überresten der Römerzeit in Noricum und
Pannonien nur mäßiges Interesse entgegenbrachte.203 Er erwähnte zwar die Existenz
von Inschriften, doch ließ sich Piccolomini nicht dazu hinreißen, den Text eines
solchen Denkmals abzuschreiben. So beschränkte er sich in seiner Historia Austrialis
im Fall des einstigen Flavia Solva auf die Erwähnung von „marmorei multi lapides
vetustis inscripti litteris, quae Romanorum nomina referunt“ und berichtete aus dem Zoll-
feld (Virunum) von „vetusta monumenta [...] quae apud Solium non longe ab oppido sancti
Viti frequentia monstrantur priscis inscripta litteris Liburnorum illic civitatem fuisse mani-
festantibus“204. Auf die Überreste von Lauriacum ging er nicht ein.
Aus epigraphischer Sicht enttäuschend ist ferner seine knappe Schilderung der
römerzeitlichen Ruinen von Celeia in Kapitel XXI seiner „Europa“, wo er zwar bereits
eine angebliche Benennung der Stadt nach L. Sylla kritisch hinterfragte, des weiteren
der Alpen. Akten des interdisziplinären Symposions vom 18. bis 19. November 2005 an der Ludwig-
Maximilians-Universität München (Pirckheimer Jahrbuch für Renaissance und Humanismus-
forschung 2007, Wiesbaden 2008), 21–52.
199 Die bereits bald nach ihrem Erscheinen gesammelten Briefe wurden herausgegeben von Rudolf
Wolkan, Der Briefwechsel des Aeneas Silvius Piccolomini (Fontes Rerum Austriacarum II 61, 62, 67
und 68), Wien 1909–1918. Einige Korrekturen zu dieser nach Lhotsky, Quellenkunde 397, nicht ein-
wandfreien Edition lieferte Hans Genzsch, Die Anlage der ältesten Sammlung von Briefen Enea Silvio
Piccolominis, in: MIÖG 46 (1932) 372–465. Zum Schreibstil Piccolominis vgl. Großmann, Frühzeit des
Humanismus 193–194.
200 Siehe Lhotsky, Aeneas Silvius und Österreich 66–67.
201 Lhotsky, Quellenkunde 396, und ders., Aeneas Silvius und Österreich 58.
202 Lhotsky, Aeneas Silvius und Österreich 60.
203 Eine Zusammenstellung der relevanten Passagen bietet Uiblein, Altertumsforschung 48–49.
204 Zitiert bei Uiblein, Altertumsforschung 48, Anm. 71 und 72. Vgl. dazu die Neuedition von Julia
Knödler und Martin Wagendorfer (Hrsg.), Eneas Silvius Piccolomini, Historia Austrialis I–II (MGH
SS rer. Germ. N. S. 24), Hannover 2009, hier II (2./3. Redaktion, hrsg. von M. Wagendorfer), 499 so-
wie 518–519. Zu Piccolominis Schilderung der Gräberfelder von Flavia Solva samt fehlerhafter Zu-
ordnung der Steiermark zur spätrömischen Provinz Valeria siehe auch Stephan Karl, Die
humanistische Antikenrezeption, in: Bernhard Hebert (Hrsg.), Urgeschichte und Römerzeit in der Stei-
ermark, Wien/Köln/Weimar 2015, 51–55 und 149–150, hier: 51–52.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548