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64 | Humanistisches Gedankengut im Ostalpenraum
bericht weder als offizielles Tagebuch einer bischöflichen Visitationsreise noch als
persönlichen Erinnerungsbericht verfasst hat, sondern als seriöses Dokument für
eine ihm nahestehende Leserschaft.240
Santoninos humanistische Bildung, durch die er sich mit seinem Freund Sabellico
verbunden fühlte, ist in den Tagebüchern nicht nur aus der betonten Urteilsfähigkeit
und der Verwendung der lateinischen Sprache statt des Volgare zu erkennen.241 In
seinem Bericht sind einige Exkurse über Land und Leute, Bräuche und Sitten einge-
streut, aber auch über (Natur-)Ereignisse wie Hochwasser und Brand. Besonders
seine abschweifende Schilderung „de situ Petoviae“242 erinnert an die Exkurstechnik
antiker Historiographen wie Livius und Tacitus.243
Santoninos Verbundenheit mit der römischen Antike äußert sich auch in seiner Vor-
liebe, Verse aus Vergil, Horaz oder anderen Schriftstellern da und dort in die Patri-
archatsakten einzufügen.244 Dass er sich auf seinen Reisen neben unzähligen anderen
Details auch für die römerzeitlichen Überreste der besuchten Gegend interessiert,
passt bestens in das Bild, das wir von ihm bisher gewonnen haben.
Wie bereits erwähnt, enthält der Cod. Vat. Lat. 3795 den Bericht zu insgesamt drei
Visitationsreisen. Die erste Reise führte in das heutige Osttirol und in das (Kärntner)
Gailtal (29. September bis 11. November 1485)245, die zweite Reise in das Rosental
und nach Villach (25. August bis 1. Oktober 1486)246, die dritte Reise schließlich in die
frühere Untersteiermark zwischen den Flüssen Drau und Sutla (7. Mai bis
8. Juni 1487)247. Santoninos Interesse für die gegenständlichen Überreste der Römer-
zeit manifestiert sich in allen drei Textteilen.
Die erste von sechs Erwähnungen römerzeitlicher Relikte findet sich bereits auf
fol. 1v. Auf dem Weg über den Kreuzberg (h. Plöckenpass/Passo di Monte Croce) fiel
Santonino am 1. Oktober 1485 eine in den Felsen eingemeißelte Inschrift auf, die man
aber aufgrund ihrer starken Verwitterung nicht mehr lesen könne. Es dürfte sich
dabei um die Inschrift CIL V 1864 handeln, die wie die ebenfalls in Passnähe befind-
240 Zur Intention des Werkes und seinem literarhistorisch innovativen Charakter siehe nun ausführ-
lich Hundsbichler, Santonino in neuer Sicht.
241 Vgl. auch Voigt, Sanctoninus 197 sowie darauf Bezug nehmend Hundsbichler, Santonino in neuer
Sicht 222.
242 Santonino nennt sie selbst „deverticulum“ (fol. 109r bzw. Vale, Santonino 235).
243 Es ist nicht auszuschließen, dass Santonino deren Werke kannte: Sowohl Tacitus’ als auch Livius’
Werk wurden in Venedig ab 1470 häufig gedruckt.
244 Vgl. Vale, Santonino 117, und Hundsbichler, Santonino 18.
245 „Itinerarium editum a Paulo Sanctonino R.mi D. Marci Barbi Cardinalis S. Marci Patriarche Aquileiensis
secretario tempore quo R. pater D. Petrus Pontifex Caprulanus ad partes Germanie officium in Pontifi-
calibus subditis sancte Aquileiensis ecclesie impensurus profectus est.“ (Cod. Vat. Lat. 3795, fol. 1r bzw.
Vale, Santonino 121).
246 „Prosecutio Itinerarij conscripti ab eodem Paulo Sanctonino [...] in Carniole et Superioris Carinthie provin-
cias Aquileiensis diocesis.“ (Cod. Vat. Lat. 3795, fol. 58r bzw. Vale, Santonino 173).
247 „Tercia pars Itinerarij [...] ad partes ultramontanas et specialiter ad provinciam Saunie.“ (Cod. Vat.
Lat. 3795, fol. 98v bzw. Vale, Santonino 223).
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548