Seite - 65 - in Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi - Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
Bild der Seite - 65 -
Text der Seite - 65 -
Humanistisches Gedankengut im Ostalpenraum | 65
lichen Steine CIL V 1862 und 1863 mit der alten Römerstraße über den Plöckenpass
in Bezug steht und von den genannten Inschriften am schlechtesten lesbar ist.248
Neun Tage später kam die Reisegruppe in die Gegend von Lavant. Santonino
schenkt den Worten der Einheimischen Glauben, wonach sich „in superiore montis
parte“ ein römisches Kastell befunden habe, und führt als Beweis sichtbare Spuren
sowie Marmorreste und Inschriftenbruchstücke „in prefata ecclesia [St. Ulrich] sive
capella Sancti Petri [St. Petrus und St. Paulus]“ an.249 Die epigraphischen Überreste
schienen Santonino – vielleicht aufgrund ihrer geringen Aussagekraft – der Erwäh-
nung nicht wert zu sein.250
Im Rahmen der zweiten Reise berichtet Santonino vom Kärntner Kloster Arnold-
stein. Die dazugehörigen Weingärten seien „romano vallo (ut ita dicam) munite“.251
Diese Art der Formulierung zeigt zum einen, wie aufmerksam er grundsätzlich den
Überresten der Vergangenheit gegenüberstand, zum anderen aber, dass er meinte,
den gebildeten Lesern seines Reiseberichtes durch diese vorsichtige (weil nicht beleg-
bare) Wortwahl eher einen Eindruck von der örtlichen Gegebenheit vermitteln zu
können.
Die nächsten Schilderungen römerzeitlicher Relikte gehören bereits dem dritten
Reisebericht an. Im Rahmen der ausführlichen Beschreibung von Pettau (h. Ptuj) und
seiner Ebene sind für Santonino „statue et marmorei lapides mire magnitudinis“ der
Hinweis auf eine Besiedelung durch Heiden in vorchristlicher Zeit.252 In Kerschbach
(h. Črešnjevec) beeindrucken ihn ebenfalls „multi marmorei lapides cum pulcherrimis
figuris et antiquis litteris“253, die er leider nicht näher beschreibt.
Der Bericht über Cilli (h. Celje) am Ende der dritten Reise stellt aus epigraphischer
Sicht den Höhepunkt dar. Santonino kam am 1. Juni 1487 in diese Stadt. Gleich am
248 Zu den drei genannten Inschriften vgl. am besten Rudolf Egger, Die Felsinschriften der Plöckenalpe,
in: AVGT 24/25 (1936) 15–22. Auch Santoninos Freund Sabellico erwähnt in seinem Werk De
vetustate Aquileiae nur eine der drei Felsinschriften, ebenso der Historiker Nauclerus in seiner 1504
vollendeten Chronik (vgl. Stemmermann, Vorgeschichtsforschung 18). Doch bereits aus der Mitte
des 16. Jh. sind Erwähnungen aller drei Inschriften bekannt: Siehe Vale, Santonino 123, Anm. 4.
249 Fol. 15v–16r bzw. Vale, Santonino 138. Santonino spricht hier von den römerzeitlichen Überresten
auf dem Lavanter Kirchbichl, nicht vom nahegelegenen früheren municipium Claudium Aguntum.
Zu den seit der Mitte des 20. Jh. durchgeführten archäologischen Forschungen am Kirchbichl siehe
v. a. Wilhelm Alzinger, Aguntum und Lavant. Führer durch die römerzeitlichen Ruinen Osttirols
(Dölsach 41985) und Meinrad Pizzinini, Michael Tschurtschenthaler, Elisabeth Walde, Der Lavanter
Kirchbichl. Ein heiliger Berg in Tirol (Lavant 2000) sowie die Fachbeiträge in den Veröffentlichungen
des Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum 66 (1986) und 76 (1996) sowie in den Mitteilungen zur
Frühchristlichen Archäologie in Österreich 4 (1992) und 6 (1994). Vgl. ferner Andrè Tschapeller,
Die frühchristlichen Kirchen am Lavanter Kirchbichl (ungedr. Dipl.), Innsbruck 2001.
250 Das einzige im CIL verzeichnete Bruchstück (III 4723) aus der Kirche St. Ulrich weist lediglich die
Aufschrift „QVA“ auf; die Bedeutung anderer heute bekannter Fragmente ist teilweise ebenso
minimal. Vgl. Wilhelm Alzinger, Das Municipium Claudium Aguntum. Vom keltischen Oppidum zum
frühchristlichen Bischofssitz, in: Hildegard Temporini (Hrsg.), Aufstieg und Niedergang der Römischen
Welt II 6, Berlin/New York 1977, 380–413.
251 Fol. 79v bzw. Vale, Santonino 205.
252 Fol. 107v bzw. Vale, Santonino 234.
253 Fol. 121r-v bzw. Vale, Santonino 247.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548