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Humanistisches Gedankengut im Ostalpenraum | 73
Inschrift CIL III 4583 (+11307) an der Wand der Sakristei des Wiener Stephansdomes
gefunden (und abgeschrieben).275 Von einer weiteren aus Wien stammenden Inschrift
(CIL III 4567) könnte die älteste Abschrift ebenfalls auf Bochensvanz zurückgehen.276
Leider ist der Humanist trotz einiger Bemühungen archivalisch (noch?) nicht näher
fassbar.277 Nach Alphons Lhotsky hat Bochensvanz „durch seine auf weiten Reisen,
gleich einem Cyriacus von Ancona, gesammelten Inschriften für die Wieder-
erweckung des Altertums, für seine wissenschaftliche Eroberung, wahrscheinlich
mehr geleistet“ als Enea Silvio Piccolomini278, doch führt er leider keine Quellen für
diese Behauptung an. Wir können heute mit Gewissheit nur rekonstruieren, dass sich
Bochensvanz wohl bald nach der Mitte des 15. Jahrhunderts für den Wortlaut römer-
zeitlicher Inschriften interessiert haben muss, denn bereits die „zweite Generation“
der italienischen Sammlungen, die sich bei der Inschrift CIL III 4583 auf Bochensvanz
beruft, stammt aus den 60er und 70er Jahren des 15. Jahrhunderts.279
Ein echter Aufschwung der altertumskundlichen Forschungen ist indes erst in der
Regierungszeit von Maximilian I. (1493–1519), der Hochblüte des deutsch-öster-
reichischen Humanismus, feststellbar. Durch sein ausgeprägtes persönliches Inter-
esse sowie durch seine tatkräftige Förderung hat der Kaiser selbst wesentlich zu
einer (zumindest im kleinen Kreis) raschen Etablierung der humanistischen Alter-
tumsforschung in den römischen Alpenprovinzen beigetragen. Somit werden nun
auch im österreichischen Raum Inschriften gezielt gesammelt, sei es in Form von
römerzeitlichen Originalen, sei es in Form von Textabschriften. Ekkehard Weber280
nennt folgende drei Faktoren, die Maximilian selbst zum Sammeln römerzeitlicher
Inschriften geführt haben: Seine Erziehung, die ihm auch humanistisches Gedanken-
gut näherbrachte281, seine vom Vater (Friedrich III.) geerbte Sammelleidenschaft282
und sein Bestreben, antike Fundgegenstände nach dem Vorbild italienischer Fürsten
275 „In vienna Urbe clarissima Ducatus Austriae Ego Pangratius Guaspar Bochensuanz ea ex civitate ortus hoc
sequens Epigramma Sacrarii parietibus Ecclesiae maioris in marmore vetustissimo scultum reperi“ (Biblio-
teca Angelica, Roma, Ms. 430, fol. 32v). Für die Übermittlung der entsprechenden Abbildung aus
der genannten Handschrift danke ich herzlich Franziska Beutler (Universität Wien). Der Stein ist
heute im Bereich der zweiten Textzeile auseinandergebrochen; beide Fragmente werden in der
Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums in Wien aufbewahrt (Inv.-Nr. III 779). Vgl.
lupa 630 und Noll, Inschriften 76 (Nr. 312). Das zur Inschrift gehörige Relief erwähnte Bochensvanz
nicht.
276 Diese Vermutung hat bereits Theodor Mommsen, CIL III, S. 564, geäußert. Die genannte Inschrift
befindet sich heute ebenfalls im Wiener Kunsthistorischen Museum (Inv.-Nr. III 83). Vgl. Noll,
Inschriften 75 (Nr. 307).
277 Vgl. auch Uiblein, Altertumsforschung 53, Anm. 90, und Niegl, Erforschung der Römerzeit 24.
278 Lhotsky, Wiener Artistenfakultät 145.
279 Siehe CIL III, S. 569, und Lhotsky, Ebendorfer-Studien 222, Anm. 117. Vgl. auch Kap. 6.1.
280 Ekkehard Weber, Ein Beitrag zum Beginn der altertumskundlichen Forschung in der Steiermark, in: Die
Steiermark im 16. Jahrhundert. Beiträge zur landeskundlichen Forschung (FgLkSt 27), Graz 1979, 85–93,
hier: 86.
281 Dazu ausführlich Großmann, Frühzeit des Humanismus 268–273.
282 Lhotsky, Geschichte der Sammlungen II 1, v. a. 84–85. Niegl, Erforschung der Römerzeit 31, weist
darauf hin, dass Maximilian anders als sein Vater nicht mehr aus „simpler Freude am Kuriosen“,
sondern „vornehmlich aus historisch-antiquarischer Neigung“ sammelte.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548