Seite - 74 - in Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi - Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
Bild der Seite - 74 -
Text der Seite - 74 -
74 | Humanistisches Gedankengut im Ostalpenraum
und Päpste zu sammeln.283 So ließ der Kaiser einige römerzeitliche Inschriftsteine in
die Grazer Burg und das Schloss von Cilli (h. Celje) bringen, was verschiedene Ein-
tragungen im kaiserlichen Gedenkbuch zwischen 1506 und 1508 bestätigen.284 Drei
Inschriften aus dem nahen Flavia Solva/Leibnitz (CIL III 5698, 5699 und 5701) dürften
bereits um die Jahrhundertwende auf der Grazer Burg eingemauert worden sein, da
die entsprechenden Gebäudeteile, darunter die berühmte Doppelwendeltreppe,
bauinschriftlich zwischen 1498 und 1500 datiert sind.285 Sie werden in den ältesten
Inschriftensammlungen gemeinsam mit zwei weiteren epigraphischen Denkmälern
überliefert: CIL III 5425 und 5215, wobei letzteres vermutlich bereits unter Friedrich
III. nach Graz kam.286 Diese fünf Inschriften stellen damit einen wichtigen Anhalts-
punkt für die Datierung und Quellenbestimmung jener epigraphischen Sammlungen
dar, in denen sie mit der Ortsangabe „Grazer Burg“ enthalten sind. Maximilians
historisch-antiquarisches Interesse galt freilich allein den Fundstücken, Herkunft und
Fundumständen wurde noch keine entsprechende Bedeutung beigemessen.
Am 20. April 1506 ließ Maximilian I. ein römerzeitliches Brandgrab (Urne mit bei-
gegebener Münze) von seinem Entdeckungsort Leibnitz auf die Grazer Burg bringen
und dort beisetzen. Über diesen Vorgang sind wir aufgrund einer damals ange-
fertigten Inschrift informiert, deren Textvorlage von Konrad Peutinger stammt.287 Die
antiken Fundstücke kamen beim Abbruch des betreffenden Burgtraktes am 4. März
1854 zusammen mit einem beidseitig beschriebenen Papierblatt wieder zum Vor-
schein.288 Dieser Zettel gibt etwas genauere Auskunft über den Vorgang und nennt
283 Vgl. Hülsen, Römische Antikengärten 5, mit Hinweis auf F[riedrich] von Duhn, Über die Anfänge der
Antikensammlungen in Italien (Nord und Süd XV), Berlin 1880, 293–308. In einem jüngeren Beitrag
wird die Vermutung geäußert, Maximilian habe als Sammler Konrad Peutinger nachahmen
wollen: Siehe Christopher S. Wood, Maximilian I as Archeologist, in: RenQ 58 (2005) 1128–1174, hier:
1135.
284 Dieser (zweite) liber memorialis (1505–1508) blieb als Cod. ser. nov. 2645 in der ÖNB in Wien erhal-
ten. Die relevanten Einträge (darunter jenen von fol. 43v: „Item die stain von Zilli gen Gratz Zuver-
samben“) zitieren Simon Laschitzer, Die Genealogie des Kaisers Maximilian I., in: JKSW 7 (1888) 7–8,
sowie Uiblein, Altertumsforschung 67. Uiblein gibt darüber hinaus zu bedenken, dass gewiss nicht
alle Anordnungen von Maximilian, römerzeitliche Überreste betreffend, Eingang in die Gedenk-
bücher fanden. Vgl. auch Andrea Baltl, Maximilians I. Beziehungen zu Wissenschaft und Kunst (un-
gedr. Diss.), Graz 1967, bes. Kap. IV: Maximilian und die Antike.
285 Besonderer Dank gebührt an dieser Stelle Stephan Karl (Graz) für seine freundlichen Informatio-
nen. Karl meint, dass die Jahreszahlen in den Bauinschriften neben der endgültigen Fertigstellung
der Außenfassade auch das Jahr der Einmauerung der Römersteine darstellen.
286 Vgl. dazu Karl, Humanistische Antikenrezeption 52–53. CIL III 5215 wurde schließlich unter Karl VI.
im Jahre 1728 nach Wien gebracht und befindet sich heute in der Österreichischen National-
bibliothek. Siehe dazu Groag, Inschriftsteine der Hofbibliothek 7 (Nr. 1), Anders, Inschriftenkatalog
ÖNB 16–17 (Nr.1), sowie Beutler/Weber, Inschriften der ÖNB 16–17 (Nr. 1). Zu den übrigen vier In-
schriften siehe Weber, RISt 49 und Nr. 1–4.
287 SuStBA, 2° Cod. H 24, fol. 82r. Dazu ausführlich Weber, Altertumskundl. Forschung 86–93, und
Hebert, Venerandae Vetustati 41–43. Siehe auch Kap. 8.2.
288 Das Protokoll zu diesen Ereignissen ist zu finden im StLA, A. Joanneum, Landesmuseum, K.21, H.
97, Kuratorium Landesakten 1854, Akt 2079. Vgl. auch MkkCC 1 (1856) 13a, wo sich neben einer
Kurzdarstellung der Geschehnisse eine Paraphrasierung des Zettelinhalts findet. Für die Hinweise
darauf und die freundliche Übermittlung zugehöriger Unterlagen sei abermals Stephan Karl
(Graz) herzlich gedankt. Siehe auch ders., Gabriele Wrolli, Der Alte Turm im Schloss Seggau zu
Leibnitz. Historische Untersuchungen zum ältesten Bauteil der Burgenanlage Leibnitz in der Steiermark
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548