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80 | Humanistisches Gedankengut im Ostalpenraum
Klosters Certosa di Pavia.311 Das zweite Fundstück von Celtis bei Apianus/Amantius
zeigt eine geflügelte harfenspielende Gestalt und eine Maske, die ein geflügelter
Knabe hält.312 Als Fundort und -jahr dieser „Gemma Signatoria, aureo cruci insitum“
wird „in monasterio RITISCH iuxta Olmuntz. Mense Iulio Anno Domini M.D.IIII.“ ange-
geben. Dass sich Celtis tatsächlich im Jahr 1504 in der heute tschechischen Stadt
Olomouc aufgehalten und für die lokalen Altertümer interessiert hat, können wir aus
einem Brief von Georgius Boorius Caetianus schließen.313 Es wird vermutet, dass
auch die Bildbeschriftung des zweiten Fundes („Venus“, „Iocus“ und „Cupido“) – bei
Apianus/Amantius sogar als „epigramma“ bezeichnet – auf Celtis zurückgeht, doch
wurde ihm von Seiten der Forschung nie absichtliche Fälschung oder Leicht-
gläubigkeit im Sinne methodischer Unfähigkeit unterstellt. Vielmehr wird ihm heute
durch Wood eher ein tiefer, von poetischer Vorstellungskraft geleiteter Blick auf die
Antike, gewissermaßen durch die Fundstücke hindurch, zugeschrieben.314
Sonstige direkte Hinweise auf antike (inschriftliche) Funde von Konrad Celtis
existieren meines Wissens nicht. So enthält auch die Briefsammlung von Hans
Rupprich keine weiteren Schriftstücke, in denen der große Humanist selbst von ent-
sprechenden Funden berichtet oder gar den Text römerzeitlicher Inschriften brieflich
mitteilt. Eine Einschränkung besteht allerdings: Die Quellen für diese Sammlung
sind nicht vollständig erhalten geblieben.315 Möglicherweise sind dadurch weitere
Informationen zu Celtis’ altertumskundlichem Wirken verloren gegangen. Die der-
zeitige Quellenlage führt aber unabdingbar zur Einschätzung, dass Celtis insgesamt
mehr die literarische als die antiquarische Seite des Humanismus verkörpert und
sich in Wien vornehmlich der Rhetorik und Poetik, als deren Professor er ja auch
berufen worden war, gewidmet hat.316 Hinsichtlich der Überlieferung römerzeitlicher
Inschriften ist er trotz des zweifellos vorhandenen entsprechenden Interesses, auf das
allein sein Anteil am Zustandekommen zahlreicher metrischer Epitaphien hin-
weist317 – wenn überhaupt – eher als Vermittler denn als Gewährsmann tätig
geworden.318
311 Die ältere Medaille zeigt auf der Vorderseite das Selbstporträt des Italieners Giovanni Boldu und
weist auch die Rückseite als Werk dieses Künstlers aus. Die zweite Medaille mit einem kindlichen
Brustbild von Caracalla stammt nach Wood von einem anderen Künstler; siehe Christopher
S. Wood, The Credulity Problem, in: Peter N. Miller, Franҫois Louis (Hrsg.), Antiquarianism and
Intellectual Life in Europe and China (Cultural History of the Material World 1), University of
Michigan Press Ann Arbor 2012, 149–179.
312 Apianus/Amantius, Inscriptiones 451.
313 Rupprich, Celtis-Briefe 578 (Nr. 322).
314 Vgl. Bursian, Raimund Fuggers Antikensammlung 159–160, und Wood, Credulity Problem, 153–154
mit Anm. 29 und 30.
315 Z. B. fehlt Celtis’ Antwort zwischen zwei Briefen von Fuchsmagen (Rupprich, Celtis-Briefe Nr. 311
und 314).
316 Über den Zweck der Berufung spricht Celtis selbst in seinem an Johannes Fuchsmagen und
Johann Krachenberger gerichteten Widmungsschreiben zu der von ihm 1497 herausgegebenen
Kosmographie des Apuleius (De mundo).
317 Dazu künftig ausführlich Zajic, Epigramm und Epitaph.
318 Vgl. auch Niegl, Erforschung der Römerzeit 33, und Preiß, Konrad Celtis 276–277.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548