Seite - 92 - in Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi - Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
Bild der Seite - 92 -
Text der Seite - 92 -
92 | Humanistisches Gedankengut im Ostalpenraum
in Prag liegenden Handschrift377 ist zu schließen, dass der Text folgendermaßen
lauten sollte: „C VALERIVS C F VLTINIA PILIPIS MILES LEG XV APOL ANO
XXXII STIP XI HIC S E“. Damit weist er auffallende Übereinstimmungen mit einem
erhaltenen, aber in der unteren Hälfte abgebrochenen Stein aus Carnuntum auf378.
Die Parallelen in der Formulierung lassen eine Identifizierung der beiden Inschriften
möglich erscheinen, jedoch nicht sicher entscheiden, da der erhaltene Stein sehr gut
lesbar die Form „VOLT(INIA)“ enthält.379 Ungeachtet der Frage der Identifizierung
ist für die Inschrift CIL III 5636 wegen des ähnlichen Formulars eine Herkunft aus
Carnuntum zu vermuten, auch wenn sie in einigen Belegen der genannten auctores
antiquissimi anderweitig und teils ungenau lokalisiert wird.380 Als zutreffend kann
jedenfalls gelten, dass sich die Inschrift CIL III 5636 einst im Wiener Haus von
Johannes Fuchsmagen befunden hat, wie diesbezüglich zuverlässige(re) Quellen an-
geben.381 Vielleicht besaß Fuchsmagen auch die auf dem besprochenen Einzelblatt
gemeinsam notierte Inschrift CIL III 4567, die er nach dem Zeugnis des Wiener
Arztes, Historikers und Inschriftensammlers Wolfgang Lazius aus Petronell (Carnun-
tum) nach Wien gebracht haben soll.382 Weil diese Inschrift aber bereits in älteren
Codices mit einer Wiener Ortsangabe auftaucht383, konstatierten Mommsen und
Uiblein, dass hier (wie so oft) ein Irrtum bzw. eine Fiktion des Lazius vorliegt und
der Stein bereits vor Fuchsmagen nach Wien gekommen sei.384 Möglicherweise be-
steht der Irrtum des Lazius lediglich darin, dass er die Überführung von CIL III 4567
Fuchsmagen zuschreibt, während dieser andere Inschriften – wie CIL III 5636? – aus
Petronell nach Wien bringen ließ.385
Wie bereits erwähnt, ließ Johannes Fuchsmagen auch jene Bauinschrift in sein
Wiener Haus transportieren, die nach Cuspinianus 1508 in Ybbs gefunden worden
war.386 Ob und wenn ja, welche weiteren Originalinschriften er verwahrte, ist nicht
bekannt, da jegliche Hinweise, etwa in den erhaltenen Briefen seiner Freunde Konrad
Celtis oder Konrad Peutinger, leider völlig fehlen.
Mit Peutinger hat Fuchsmagen generell eine enge geistige Verwandtschaft verbun-
den: Beide Humanisten interessierten sich in besonderem Maße für die römische
377 Codex Pragensis XIII G 14, fol. 214v,2. Zum diesem Codex und seinem Verhältnis zu den Inscriptio-
nes von Apianus/Amantius siehe v. a. Kap. 7 und 10.
378 Heute im Archäologischen Depot des Landes NÖ in Hainburg/Donau, Inv.-Nr. 150. Vgl. lupa 168
und Martin Mosser, Die Steindenkmäler der legio XV Apollinaris (WAS 5), Wien 2003, 192–193 (Nr. 58
mit Taf. 11).
379 Aus diesem Grund wird die Inschrift CIL III 5636 in der Datenbank Ubi erat lupa (Nr. 15108) und
bei Mosser, Steindenkmäler 262 (Nr. 191) als eigenständiges Denkmal behandelt.
380 Siehe Weber, RISt 290, der dieses Denkmal daher nicht unter die römerzeitlichen Inschriften der
Steiermark aufgenommen hat, sowie Kap. 8.3.3 und 11.2.
381 Codex Pragensis XIII G 14, fol. 214v,2 und Apianus/Amantius, Inscriptiones 404,2: „Ibidem (sc.
Viennae) in domo Doctoris Fuchsmag.“
382 Wolfgang Lazius, CVP 7894, fol. 24, und r. r., S. 670 und 1138 (zitiert nach CIL III 4567).
383 Eventuell ist der bereits genannte Pankraz Caspar Bochensvanz dafür der älteste Gewährsmann.
384 Mommsen, CIL III, S. 567 (zu Nr. 4567) und Uiblein, Carnuntum 103.
385 Nach Uibleins Beobachtungen (Carnuntum 103) ist dies durchaus in Betracht zu ziehen. Siehe auch
Kap. 7.4.
386 CIL III 5670a.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548