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116 | Augustinus Prygl Tyfernus
Parthenope“ statt „scripsi [...]". Hier liegt zweifellos ein Fehler des Kopisten vor, der
den übrigen Text richtig in der ersten Person Singular abgeschrieben hat. Kleinere
Unvollständigkeiten, die in den einzelnen Codices in unterschiedlicher Häufigkeit
auftreten, weisen ebenfalls deutlich auf Abschriften hin.501 In dem sonst recht sorg-
fältig ausgeführten Teil des CVP 3528 fehlen öfters einige Worte, die in der Parallel-
überlieferung des CVP 3492+3540 zu finden sind. Dieser Fall tritt auch umgekehrt
ein, allerdings wesentlich seltener – ein erster Hinweis auf qualitativ unterschiedliche
Kopien.502 Es ist ferner festzustellen, dass keine der beiden Abschriften als Vorlage
für die jeweils andere gedient hat, sondern beide auf einen gemeinsamen Archetyp,
mit einiger Sicherheit auf die Originalsammlung, zurückgehen.
Die Blätter dieser originalen Vorlage müssen allerdings vor dem Abschreiben stark
durcheinander gebracht worden sein, da in den handschriftlichen Kopien Inschriften
aus weit entfernt liegenden Orten unmittelbar nacheinander aufscheinen. In einer
derartigen Reihenfolge konnten sie niemals im Zuge einer Reise am Fund- bzw.
Verwahrort des Inschriftsteines abgeschrieben worden sein.503 Der Beweis für diese
Aussage kann anhand einer Untersuchung der beschriebenen Papierlagen erbracht
werden: Im CVP 3492 gehören etwa fol. 19 und 20 lagenmäßig zu fol. 17–20 und wur-
den auch fortlaufend beschrieben. Dem Inhalt dieser beiden Blätter entspricht ein
Teil der Lage fol. 49–59 im CVP 3528.504 Da die Papierlagen in beiden Codices durch-
gehend beschrieben wurden, sind die deutlichen Abweichungen in der Reihenfolge
501 In meiner Diplomarbeit sah ich wie auch Theodor Mommsen in der Tatsache, dass am Ende von
ergänzenden Bemerkungen bisweilen „etc.“ zu lesen ist, einen weiteren Hinweis auf das Vorliegen
von (unvollständigen) Abschriften (vgl. Greinegger, Tyfernus/Boissard 51 sowie CIL III, S. 478b,
Anm. *). Auch Marjeta Šašel Kos, Augustinus Tyfernus 1311b, schloss sich jüngst dieser Sichtweise
an. M. E. sind diese Kürzungen jedoch nicht (mehr) als zwingender Beweis für Abschriften anzu-
sehen. Eine abermalige Überprüfung der entsprechenden Textstellen ergab nämlich, dass sie
durchaus von Tyfernus selbst so geschrieben worden sein konnten, wie z. B. im Zitat eines Briefes
von ihm an Fuchsmagen: „hec [=epigrammata Polensia] etiam consulto addere volui etc.“(CVP 3492 fol.
14r). Bei der Schilderung einer „epigraphischen Anekdote" (Weber, Altertumskundl. Forschung 90)
aus dem Stift Rein kommt die Textkürzung durch „etc.“ gleich zweimal vor: Aufgrund der Mit-
teilung über die absurde Deutung der Buchstaben I O M sei Tyfernus‘ Gesprächspartner, Bischof
Matthäus Lang „[...] in tantum risum solutus est etc. ut etc.". Diese Belegstelle blieb in beiden Ver-
sionen der Inschriftensammlung erhalten. Dabei fällt auf, dass die Kürzung in beiden Fällen exakt
dieselbe ist (CVP 3528 fol. 66r bzw. CVP 3540 fol. 15r). Allem Anschein nach war es Tyfernus
selbst, der versuchte, eine mögliche Brüskierung seines ehrwürdigen Gesprächspartners zu ver-
meiden, indem er nicht alle Details des kuriosen Vorfalls schriftlich preisgab. In einem anderen
Fall wollte sich Tyfernus offensichtlich selbst nicht zu sehr bloßstellen, als er zugab, angsterfüllt
auf den Turm von Stift Rein gestiegen zu sein: „ascendi ego in scalis gradus XXVIII non sine timore
etc. Maximiliano Grecio existente Anno MDVI“. (CVP 3540 fol. 14v = CVP 3528 fol. 65v). Auch diese in
beiden Abschriften völlig idente Art der Formulierung und Kürzung geht mit einiger Sicherheit
auf den Autor der Originalsammlung, also auf Tyfernus selbst, nicht auf die Kopisten, zurück.
502 Es wird sich noch wiederholt zeigen, dass die Codices 3492+3540 hinsichtlich Zuverlässigkeit und
Genauigkeit näher am Original stehen als CVP 3528.
503 Vgl. auch CIL III, S. 478.
504 Siehe oben die kodikologischen Bemerkungen in der Konkordanz.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548