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Augustinus Prygl Tyfernus | 117
der Inschriften einzig dadurch erklärbar, dass die Blätter der Vorlage durcheinander
geraten sind.505
Die dargelegten Ergebnisse der kodikologisch-inhaltlichen Untersuchung führen zu
dem Schluss, dass die beiden Abschriften etwa zeitgleich und bald nach Fertig-
stellung der Originalsammlung gegen Ende des ersten Jahrzehnts des 16. Jahr-
hunderts angefertigt worden sind. Unmittelbare, namentliche Hinweise auf
Entstehungsort, Schreiber oder Auftraggeber liegen nicht vor. Eine kleine Ausnahme
liegt mit dem bereits erwähnten, unvollständig erhaltenen Eintrag „Jacobus Al(...)“ bei
Hand C1 vor.506
Von der als „Hand B“ bezeichneten Haupthand kann zunächst mit Gewissheit fest-
gestellt werden, dass sie mit epigraphischen Inhalten vertraut gewesen sein muss
und im Allgemeinen sehr präzise und aufmerksam gearbeitet hat. Dieser Schreiber
identifizierte zum Beispiel im CVP 3492, fol. 35r,4, eine Inschrift, die er auf fol. 33r als
Zeichnung (Urne) wiedergegeben hatte, als Dublette und tilgte deshalb die bereits
abgeschriebene Ortsangabe durch Striche. Dem Schreiber von CVP 3528 („D“) war
dies hingegen nicht aufgefallen – er gab die Inschrift wie in der Vorlage zweimal
wieder (fol. 35r und 37v). Vereinzelt sind allerdings auch in den von Hand B ge-
schriebenen folia von CVP 3492+3540 Fehler zu finden, die in der Vorlage offenbar
nicht enthalten waren: Letzteres ist aus dem Vergleich mit der Parallelüberlieferung
im CVP 3528 zu schließen.507 Dennoch ist mit Blick auf seine gesamte Leistung festzu-
halten, dass es sich bei diesem Schreiber um eine sehr kundige Person gehandelt
haben muss.
Ein Vergleich von CVP 3492+3540 mit dem in Fuchsmagens Besitz befindlichen
CT 3569, der Abschrift einer frühen Version der Giocondo-Sammlung, erbrachte
dazu ein bemerkenswertes Ergebnis: Die Schrift von Meynhardus Rauhhp, aus des-
sen Feder der CT 3569 zur Gänze stammt, weist auffallende Parallelen mit der ge-
nannten Hand B aus den Codices 3492+3540 auf!508 Die geringen Unterschiede im
Schriftduktus könnten durch die zeitliche Distanz – der CT 3569 wurde 1480
geschrieben, die beiden Wiener Handschriften mehr als 25 Jahre später – relativ
leicht erklärt werden. Es ist demnach die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der
biographisch nicht näher fassbare Meynhardus Rauhhp an der Erstellung der heute
zweigeteilten Abschrift der Tyfernus-Sammlung in Gestalt von „Hand B“ maßgeb-
lich beteiligt war und diese vielleicht sogar im Umfeld oder auf Betreiben von
505 Die (spontane) Aufnahme von Zuschriften anderer Humanisten durch Tyfernus scheidet ange-
sichts des Durcheinanders wiederholt auftretender Inschriftenfundorte als mögliche Erklärung
ebenfalls aus.
506 CVP 3492 fol. 9r; vgl. die obigen Ausführungen zu den einzelnen Händen der Codices.
507 Z. B. wurde im CVP 3540 fol. 9v eine I-longa falsch wiedergegeben als nach oben verlängerter
Schaft des Buchstaben „L“; vgl. dazu auch Kap. 4.3.
508 Die Form der Buchstaben „h“, „b“, „d“, „r“ und „n“ bzw. „m“ ist überaus ähnlich; die auffallende
Verbindung der Buchstaben „ct“, die meist schwungvoll vergrößerten Buchstaben „I“ und „C“ an
Wortanfängen, wobei bei letzterem der folgende Buchstabe (meist „o“) beinahe völlig in den
Bogen eingeschrieben ist, könnte man sogar als „ident“ bezeichnen.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548