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142 | Der sogenannte Antiquus Austriacus
gegen enthalten. Es handelt sich dabei vor allem um den sogenannten Pranger von
Pettau (CIL III 4069) und jene fünf Inschriften aus Celeia, die auch Paolo Santonino
überliefert hat.603 Marjeta Šašel Kos weist darauf hin, dass diese Denkmäler am Ende
des 15. Jahrhunderts gut sichtbar und leicht zugänglich gewesen sein müssen,
andernfalls wären sie Santonino nicht ins Auge gefallen.604 Eine plausible – nach
Šašel Kos die einzige – Erklärung für diesen Sachverhalt besteht darin, dass Augusti-
nus diese Inschriften bereits zu einem früheren Zeitpunkt transkribiert hat, und zwar
in der älteren Sammlung, die Mommsen dem sogenannten Antiquus Austriacus zu-
schrieb. Da Augustinus’ Heimatstadt Tüffer (h. Laško) unweit von Cilli (h. Celje) ent-
fernt liegt, muss er diese Inschriften zwangsläufig gekannt haben. Interessanterweise
enthalten seine Codices auch keine Inschriften aus Wien, obwohl er in dieser Stadt
lange Zeit lebte und arbeitete. Dieser Umstand ließe sich ebenfalls durch die An-
nahme einer Identität von Augustinus Tyfernus mit dem sogenannten Antiquus
Austriacus leicht erklären.
Was spricht aber dagegen? Welche Fragen sind nach wie vor offen? Theodor
Mommsen weist als Hauptargument gegen eine Identität auf die Unterschiede bei
jenen Inschriften hin, die Bestandteil beider Sammlungen waren.605 Das Problem bei
diesen Vergleichen besteht freilich darin, dass sowohl die Sammlung des „Antiquus
Austriacus“ als auch jene des Augustinus Tyfernus nur abschriftlich erhalten geblie-
ben ist. Erstere liegt nach vorläufigem Wissensstand nur in den Arbeiten von
Peutinger, Choler und Apianus/Amantius vor, letztere wurde von namentlich nicht
näher fassbaren Kopisten606 und – teilweise – auch von Peutinger abgeschrieben. Es
kann daher grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, dass sich einige Unter-
schiede erst durch den Vorgang des Abschreibens ergeben haben. Außerdem ist als
möglich anzusehen, dass sich Augustinus Tyfernus an einzelnen Orten (v. a. in der
Nähe seiner Heimatstadt) mehrfach aufgehalten und dabei immer wieder römerzeit-
lichen Denkmälern nachgespürt hat. Bei einer derartigen Vorgangsweise mögen
einige Inschriften (v. a. jene, die sowohl in der etwas älteren Sammlung des
„Antiquus Austriacus“ als auch in jener von Augustinus Tyfernus aufscheinen) aus
Versehen oder auch bewusst doppelt abgeschrieben worden sein. Auch in Tyfernus’
CVP 3528 sind vier Inschriften zweimal enthalten; die entsprechenden Abschriften
weisen jeweils einige Differenzen auf.607 Es ist durchaus denkbar, dass Augustinus
selbst eine Inschrift mit einem gewissen zeitlichen Abstand anders gelesen hat, etwa
weil er mittlerweile geübter war oder sich der Stein später an oder in einer besser
lesbaren Position befunden hat.608 Bei der Inschrift CIL III 4082 scheint das Gegenteil
603 CIL III 5227, 5262, 5226, 5230 und 5158 (in der Reihenfolge bei Santonino). Siehe Kap. 3.1.
604 Šašel Kos, Augustinus Tyfernus 1314a und 1316ab.
605 CIL III 4030, 4041, 4056, 4071 und 4075 aus Poetovio, CIL III 5154, 5234 und 5262 aus Celeia sowie
CIL III 5631 aus Ovilava. Mommsen hebt v. a. CIL III 4041, 4056 und 5154 hervor (CIL III, S. 479b).
606 Eine Ausnahme stellt möglicherweise Meynhardus Rauhhp dar. Siehe Kap. 4.2.
607 CIL III 3889 und 3890 aus der Umgebung von Radmannsdorf (h. Radovljica), CIL III 3892 aus
Krainburg (h. Kranj) sowie CIL III 4082 aus Pettau (h. Ptuj).
608 Auch EpigraphikerInnen der heutigen Zeit sehen sich mitunter vor die Notwendigkeit gestellt,
eigene ältere Lesarten zu korrigieren.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548