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202 | Codex Pragensis XIII G 14
liegt. Bei der Auswertung der Gegenüberstellung der einzelnen Belegstellen muss
mit Bedacht vorgegangen werden, da es sich beim Codex Pragensis nicht um eine
Originalsammlung, sondern um einen kalligraphierten Pergamentcodex handelt und
die Sammlung des Augustinus Tyfernus ebenfalls nur in Form von zwei Abschriften
vorliegt. Zudem stellt der hier fast ausschließlich für Vergleichszwecke zur Ver-
fügung stehende CVP 3528 nicht die bessere Version dar.868 Trotz dieser Problematik
ist folgendes festzustellen:
Während Augustinus Tyfernus bei allen elf relevanten Inschriften die korrekte Zei-
lentrennung bietet, wurde sie in Fuchsmagens Codex Pragensis nur bei vier Denk-
mälern aus Poetovio berücksichtigt. Gerade bei diesen Inschriften variieren die beiden
Belege so stark hinsichtlich Vollständigkeit und Zuverlässigkeit des Textes, dass hier
jegliche direkte Verbindung auszuschließen ist.869 Dieser Befund dürfte auch für die
einzige in beiden Sammlungen enthaltene Inschrift aus Celeia (CIL III 5154) gelten,
wo Augustinus’ Text eindeutig der Vorzug zu geben ist, sowie für die übrigen
Denkmäler aus Poetovio und die beiden Steine aus der heutigen Steiermark, wo zwar
große Textähnlichkeit zu konstatieren ist, aber nur Augustinus die bessere bzw. (im
Fall von CIL III 5424 und 5435) richtige Ortsangabe bietet. Aufgrund der auffälligen
Parallele im Text der letztgenannten Inschrift („MAT TRIV“ für den keltischen
Frauennamen „MATERIV“), möchte ich allerdings nicht grundsätzlich ausschließen,
dass eine Divergenz im Text auch durch das mehrfache Weiterreichen bzw. Ab-
schreiben entstanden sein könnte und damit eine Beziehung zwischen den Urhebern
der beiden Sammlungen besteht, die auf den ersten Blick nicht sichtbar ist.
Genau diese Situation scheint (auch?) bei den erhaltenen Inschriften CIL III 5631 aus
Wels und V 5084 aus Sterzing/Vipiteno gegeben zu sein: Hier divergieren die Orts-
angaben der beiden auctores antiquissimi völlig – und dennoch ist ein Zusammenhang
als nicht unwahrscheinlich anzusehen: Erstens sind bei Augustinus Tyfernus entge-
gen seiner sonstigen Arbeitsweise bei beiden Inschriften die Ortsangaben und (wie
auch bei der Prager Handschrift) die Zeilentrennungen nicht richtig, zweitens ist der
Text von CIL III 5631 auffallenderweise in Minuskeln geschrieben. Die Inschrifttexte
selbst sind nicht ident, aber doch so ähnlich, dass die Abweichungen als Ungenauig-
keiten beim (wiederholten) Abschreiben gewertet werden können.870 Die Annahme,
868 Siehe Kap. 4.3.
869 Bei grundsätzlich ähnlichen Ortsangaben bietet bei CIL III 4041 Augustinus eindeutig den quali-
tativ höherwertigen und vollständigeren Text, bei CIL III 4056 ist ebenso klar dem CP XIII G 14
das bessere Zeugnis auszustellen.
870 Die Inschrift CIL V 5084 ist im CVP 3528 bis auf die Zeilentrennung korrekt wiedergegeben, ein-
schließlich ligiertem „et“ Z. 4 und „I longa“ in Z. 7. Beide Sonderformen fehlen im CP XIII G 14.
Zusätzlich ist dort „POSTHVMIA“ für „POSTVMIA“ zu lesen. Bei CIL III 5631 ist die Wiedergabe
im Prager Codex die bessere. Besonders bei der Namensform „CANDIDIANO“ steht der
CP XIII G 14 („CANDIBIANO“) näher am Original als der CVP 3528 („Canabiano“). Auch die bei-
den Ligaturen für „et“, die nur der CVP 3528 bietet, sind nicht korrekt. Eine direkte, unmittelbare
Abhängigkeit zwischen den relevanten Codices kann demnach nicht vorliegen, zumal in beiden
Handschriften an unterschiedlichen Stellen senkrechte Trennstriche („|“) in den Inschrifttext ein-
gefügt wurden, um die Zeilentrennung der Vorlage anzudeuten. Diesbezüglich richtig ist aller-
dings keine der beiden Versionen.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548