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Codex Pragensis XIII G 14 | 209
CIL III 5371 wurde die erste, teilweise lesbare Zeile fehlerhaft ergänzt.901 An diese
Inschrift schließt unmittelbar der obere Teil von CIL III 5326 an.902 Der Rest dieser
Inschrift ist im Codex auf der vorhergehenden Seite unter der richtigen Ortsangabe
„In arce Seccoviensi“ an der Spitze der vier Seggauer Inschriften zu finden. Im Text ist
„M EAS“ anstelle von „N FAB“ (Z. 9/10) zu lesen.903 Dadurch entsteht der Eindruck,
dass die Inschrift in Zeile 9/10 eine horizontale Bruchkante aufweist. Dies ist
allerdings nicht der Fall: Sie liegt zwar heute tatsächlich in Gestalt zweier Fragmente
vor, doch liegt die Bruchstelle im Bereich der Zeilen 4 und 5.904 Diese Fraktur war
Anfang des 16. Jahrhunderts offenbar noch nicht vorhanden, da im CP XIII G 14 der
Text der entsprechenden Zeilen lückenlos überliefert wird.905
Auch die Inschrift CIL III 5319 wird im Prager Codex sehr lückenhaft überliefert:
Unter der Lokalisierung „IBID(EM)“, die sich auf „In arce Seccoviensi“ bezieht, wer-
den in der Handschrift lediglich die Zeilen 2 bis 4 überliefert. Jeglicher Hinweis auf
die Zeilen 5 bis 16, welche die Namen der weiteren Stifter der Votivinschrift enthal-
ten, fehlt906, obwohl eine andere „Antiquus-Austriacus-Abschrift“ wie einige weitere
im Prager Codex überlieferte Inschriften sehr wohl einen Hinweis auf fehlende
Textteile enthält.907
Aus diesen dargelegten Beobachtungen geht hervor, dass die „Antiquus-Austriacus-
Inschriften“ im Prager Codex nicht von jener homogenen Güte sind, wie die Aus-
sagen von Theodor Mommsen im CIL III erwarten lassen könnten. Da sich diese
Qualitätsunterschiede auch im ältesten Überlieferungsträger dieser Inschriften, näm-
lich in Peutingers Handschrift 2° Cod. H 24 zeigen, kann die mindere Überliefe-
rungsqualität einiger „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ nicht allein dem Schreiber
des CP XIII G 14 (Hand I) angelastet werden. Es müssen demnach bereits die Origi-
nalabschriften hinsichtlich ihrer Qualität differiert haben. Diese Differenzen sind
teilweise so groß, dass daraus mit Bedacht Folgendes abzuleiten ist: Es kann sich bei
den sogenannten Antiquus-Austriacus-Inschriften nicht um einheitliche, d. h. von
einer einzigen Person erstellte Abschriften handeln – mit anderen Worten: Hinter der
von Mommsen geprägten Bezeichnung „Antiquus Austriacus“ verbirgt sich offenbar
weniger ein einziger auctor antiquissimus, der römerzeitliche Inschriften abgeschrie-
ben und gesammelt hat, als vielmehr ein „echter“ Sammler in dem Sinne, dass er
901 „CEONIVS“ für „CONIVG(I)“: CP XIII G 14, fol. 194v,1.
902 Z. 1 bis einschließlich „B R P“ in Z. 9, der letzte Buchstabe „N“ fehlt.
903 CP XIII G 14, fol. 194r,3.
904 Zu diesen beiden Fragmenten – das zweite ist im CIL III als Nr. 5348 verzeichnet – vgl. zuletzt
Karl/Wrolli, Alter Turm 192 und 203.
905 Zur analogen Überlieferungssituation bei Peutinger siehe Kap. 8.3.3.
906 Vgl. v. a. auch Peutingers Beleg: SuStBA, 2° Cod. H 24, fol. 58ra,3.
907 CIL III 4857 auf fol. 189v,1 (vgl. Peutinger 2° Cod. H 24, fol. 57va,3). Offenbar waren die unteren, in
kleineren Lettern eingemeißelten Zeilen der Inschrift CIL III 5319 bereits vor etwa 500 Jahren so
schlecht leserlich, dass sie von den ältesten Gewährsleuten nicht einmal erwähnt wurden und von
Kaspar Harb im Jahre 1837 für „so sehr verstümmelt“ angesehen wurden, „dass sich selbst aus
den erhaltenen Stellen kein ordentlicher Sinn herausbringen lässt“ (zitiert bei Karl/Wrolli, Alter
Turm 196, Nr. 92). Zum Versuch einer vollständigen Lesung siehe zuletzt Pochmarski/Hainzmann,
Steine erzählen 75–76 (Nr. 81).
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548