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288 | Johannes Choler
Umgekehrt scheint durchaus in Betracht zu kommen, dass der Prager Codex eine
Quelle für Cholers CLM 394 war. Die Ähnlichkeit der beiden Handschriften ist teil-
weise frappant. Die Formulierung der differierenden Ortsangaben auf der Grundlage
der Pergamenthandschrift ist ohne weiteres möglich und die Textabweichungen in
Cholers Handschrift können in sehr vielen Fällen als Ungenauigkeiten beim
Abschreiben interpretiert werden. So etwa fehlen im CLM 394 bei der Inschrift
CIL III 5671 (fol. 239r,2) in der zweiten bzw. vierten Zeile zwei Ligaturen. Diese mag
Choler aus Versehen (richtig) aufgelöst haben.
Es ist jedoch zu beachten, dass die dem Prager Codex nahe stehenden Inschriften in
Cholers drittem Noricum-relevanten Teil im CP XIII G 14 ab fol. 185v zu finden sind,
jene Inschriften aus Cholers viertem Abschnitt (fol. 237r–240r) dort auf bereits fol. 176v
bzw. 180r–184r überliefert werden. Die Reihenfolge der Inschriften innerhalb der bei-
den Abschnitte ist wiederum in beiden Handschriften grundsätzlich ident, wobei der
Pergamentcodex insgesamt wesentlich mehr Denkmäler bietet, d. h., dass bei Choler
immer wieder Inschriften fehlen, die in der Prager Handschrift zwischen den ge-
meinsam überlieferten stehen. Wäre der Pergamentcodex die Grundlage für den
CLM 394 gewesen, müsste Choler zunächst aus dem hinteren Teil, dann aus den
weiter vorne stehenden Blättern abgeschrieben haben und darüber hinaus völlig
eklektisch vorgegangen sein.1289 So lässt sich die Überlieferungssituation dieser „Anti-
quus-Austriacus-Inschriften“ ‒ um solche handelt es sich ‒ nur dadurch erklären, dass
es sich hier um gemeinsame Vorlagen gehandelt hat, die sowohl dem Prager Codex
zugrunde liegen als auch von Choler (auszugsweise?) abgeschrieben wurden.1290
Durch die Verwendung dieses Materials hat Choler im hinteren Teil seiner Hand-
schrift drei Inschriften, die bei Peutinger fehlen (sonst bietet Peutinger wesentlich
mehr „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ als Choler)1291: Die beiden Laibacher Inschrif-
ten CIL III 3852 und 3846 auf fol. 237r sowie CIL III 5671 aus Lauriacum auf fol. 239r,2
(mit derselben falschen Ortsangabe wie im Prager Codex).1292
saxo magno in quo duae Imagines sunt sculptae viri & foeminae ad umbilicum usque“ (fol. 180v,1 mit
zusätzlicher Wiedergabe des genannten Reliefs).
1289 Die Möglichkeit, dass lediglich die Blätter/Lagen in Cholers CLM 394 beim Binden vertauscht
wurden, ist hier auszuschließen, da zum einen bereits festgestellt werden konnte, dass der Codex
in der originalen Form erhalten geblieben ist, zum anderen ein eigenhändiger Verweis auf nach-
stehende Inhalte (fol. 224v mit Bezug auf fol. 241r) jeglicher Grundlage entbehren würde, da es sich
dabei ohnehin um die folgende Seite gehandelt hätte (vgl. oben in diesem Kapitel).
1290 Vermutungen über die Hintergründe dieser Vorgangsweise würden zu weit in den Bereich der
Spekulation hineinführen, da auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen ist, dass Choler – aus
welchem Grund auch immer – nur ein Teil des Materials zugänglich war. Am Rande ist festzu-
halten, dass die Schrift von Choler und Hand I des CP XIII G 14 einander sehr ähnlich, aber kaum
auf dieselbe Person zurückzuführen sind. Einer der geringen Unterschiede liegt in der Majuskel
„A“, die im Prager Codex leicht nach links hängt, während Choler diesen Großbuchstaben durch
einen unmerklich längeren Anstrich etwas nach rechts ausrichtet.
1291 Siehe Tab. 12.9 im Anhang.
1292 CLM 394, fol. 239r,2: „Aliud super portulam Burgi (sc. Celeiae)“. Vgl. CP XIII G 14, fol. 183r,2: „Cel.
Super portulam Burgi“.
Interessanterweise heißt es im textkritischen Apparat des CIL zu dieser Inschrift: „Antiqui Austri-
aci exemplum proponunt Cholerus [...] et Apianus [...]“. Es wird hier explizit der „Antiquus Austriacus“
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548