Seite - 60 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

60 Februar 1872 5 10 15 20 25 30 Wr. Sing vereins. ◼ 103 Mühlberger] Franz Mühlberger, Bass, Beamter; ab 1869 Mitglied des Wr.  Männergesang-Vereins, 1872–1885 Mitglied des Wr. Singvereins. ◼ 104 Karl Hausleithner] (1843–1905), Organist und Direktor der Kirchenmusikschule des Wr. Cäcilien-Vereins. ◼ 104 Franz Urban] (1845–?), Organist und Klavierlehrer; wirkte an der evangelischen Kirche A.  C. in Wien. 12. WZ 1872, Nr. 27, 4. Februar Feuilleton. Wiener musikalische Revue. (Zweite Hälfte Jänner.) Von A. W. Ambros. Die zwei großen musikalischen Ereignisse der Woche waren: das fünfte Concert der Philharmoniker und die Aufführung des Mozart’schen Requiems durch die Gesellschaft der Musikfreunde, als Gedächtnißfeier für Grillparzer – beides Leis- tungen, von denen schon Eine genügen würde, eine ganze Musiksaison zu zieren. Die Philharmoniker waren diesmal wie der Hausvater im Evangelium, welcher „Altes und Neues aus seinen Vorräthen holt“, – neben Mozart mit seiner Es-dur-Symphonie und Gluck mit seiner herrlichen Pylades-Arie aus der tauri- schen Iphigenia Essers A-moll-Suite und „drei deutsche Tänze“ von Bargiel, wo- runter ein französischer, nämlich ein Menuet, – aber ein Menuet, der im Grunde kein Menuet war, wenigstens kein Tanzmenuet, wie dabei weiland die Rococo- Menschen sich neigend und sich beugend, schwebend und sich hebend, schleifend und die Hand reichend ihre Rococo-Anmuth auskramten, sondern mehr ein Sym- phonie-Menuet, der an keinen Menschen die Zumuthung stellt, darnach tanzen zu sollen. Bargiel gehört unter die achtbarsten Epigonen der Mendelssohn-Schu- mann’schen Epoche und so sind denn seine drei Tanzstücke auch gar artige, feine, blühend instrumentirte Kleinigkeiten. Besonders die Ländler (bei denen das senti- mental einleitende Violoncell Manchen an Webers „Aufforderung zum Tanze“ er- innert haben wird) verdienen alles Lob, der „Springtanz“ klingt weniger wie ein Tanz als wie einer der jubilirenden Finalsätze, in denen Vater Haydn sich vor Lust und Spaß nicht zu lassen weiß, – hier allerdings in modernerer Färbung. Dieser Springtanz ist eine Reminiscenz an das deutsche Mittelalter, wo man „springende Tänze“ (die éspringales der Franzosen) und „umme gehnde Tänz“ (Carols) unter- schied; – der „Hupfauff“, womit die deutschen Tänze des 16.  Säculums schließen, war etwas Anderes; die Pas zu allen diesen Tänzen von ehedem wüßte allerdings keiner unserer modernen Tanzmeister mehr anzugeben. Essers Suite ist ein höchst respectables Stück tüchtiger Arbeit. Esser hat bekanntlich einige der großen Orgel- stücke von Bach meisterhaft für Orchester eingerichtet und der vertraute Umgang mit dem alten Johann Sebastian hat ihm augenscheinlich sehr wohl angeschlagen. Der Gedanke, zur Abwechslung (wie auch Franz Lachner und Andere gethan) diese veraltete Form der Instrumentalmusik neu zu beleben und mit neuem Inhalt