Seite - 130 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

130 April 1872 50 55 60 5 10 nach London so unschuldig ist wie am Brande von Troja, diese Abreise entgelten zu lassen, aber der Beifall nahm mehr und mehr zu und wurde am Ende höchst lebhaft, was uns für den braven Sänger nur freuen kann. Signor Cattani war ein Doctor Bartolo in köstlichem Buffostyl, Signor Galvani als Basilio ganz gut, sein Vortrag der „Calunnia“ ging unverdienter Weise spurlos vorüber. Signor Moriami machte als Figaro entschieden Glück – kurz alles ging recht frisch und gut, nur die sehr hübsche Arie der Cameriera fiel bei ungenügendem Vortrag kläglich durch und wurde das Signal zur Flucht eines großen Theiles des Publicums, obwohl noch das Schlußterzett bevorstand, in welchem Signora Patti und die Herren Corsi und Moriami wahrhaft excellirten. Die endlosen Zwischenacte bewirkten das Wunder, daß die Duodezoper gerade so lange spielte, als neulich im Hofoperntheater die (sehr zusammengestrichenen) „Hugenotten“. Rezensierte Veranstaltung Rossini, Il barbiere di Siviglia, 15. April 1872, Theater an der Wien Erläuterungen 14 Hauffs „Othello“] Novelle des dt. Schriftstellers Wilhelm Hauff (1802–1827). ◼ 21 ho capito] „Ich habe verstanden.“ – Bartolos Worte in II,1. ◼ 27f. Oettinger … zu vergleichen.] Eduard Maria Oettinger, Meister Johann Strauß und seine Zeitgenossen, Bd.  2, Berlin 1862, S.  223f. Oettinger vergleicht hier Joseph Lanner (1801–1843) mit dem Burgunderwein und Johann Strauß d.  Ä. mit dem Champagner. ◼ 43 ein spanisches Lied] „La Calesera“. ◼ 48f. Nicolini’s Abreise nach London] → Nr.  26/Erl. zu den Z. 22–24. ◼ 53 Moriami] Gustavo Moriami (1842–1915), it.  Bariton belg. Herkunft; in den 1870er Jahren u. a. an den Operntheatern in Turin, Bologna und Mailand. ◼ 59f. als neulich … „Hugenotten“.] aufgeführt am 7.  April 1872. 28. WA 1872, Nr. 87, 16. April Z. 5–160 aufgenommen in: „Halbopern und Halboratorien.“, Bunte Blätter  II, S.  166–173 Feuilleton. Schumanns Musik zu Goethe’s „Faust“. (Aufgeführt im dritten außerordentlichen Concert der Gesellschaft der Musikfreunde.) So oft ich etwa erfahren, dieser oder jener deutsche Tonsetzer habe sich Noten- papier zurechtgelegt, um eine neue „Faust-Musik“ zu schreiben, möchte ich ihm wie Mephisto dem Faust, da dieser zu den Müttern geht, nachrufen: „Wenn es ihm nur zum Besten frommt, neugierig bin ich, ob er wiederkommt!“ Der Schwarz- künstler Faust hat wie für die deutschen Dichter, so auch für die deutschen Com- ponisten eine eigene Anziehungskraft. Wie viele Faust-Dichtungen sind neben jener Goethe’s entstanden, wenn ein Poet gerade die Nothwendigkeit verspürte, versificirt an den Mann zu bringen, was er über Gott und Welt, Zeit und Raum, den kategorischen Imperativ, deutsche Litteratur, höhere Politik und Zukunft der